Biergenuss im Weingebiet

Lahnsteiner Brauerei

Die Lahnsteiner Brauerei

Wir befinden uns im Jahre 2024 n. Chr. Der ganze Mittelrhein ist Weinregion. Der ganze Mittelrhein? Nein! Ein findiger Lahnsteiner hört nicht auf, Bier zu brauen.

Im Herzen Lahnsteins liegt die gleichnamige Brauerei. Es brummt und rauscht, als ich auf dem Gelände ankomme, Transporter und Gabelstapler sind unterwegs zwischen Kästen und Fässern. Es ist Dienstagvormittag, viel zu früh, um Bier zu trinken. „Schade“, denke ich, als ich das Ladenlokal des Familienunternehmens betrete. Denn was mich hier erwartet, ist weit mehr als ich mir vor meinem Besuch ausgemalt hatte:

Über 20 Sorten Bier, Snacks, Liköre und andere hofpige und malzige Produkte machen Lust auf ein ausgiebiges Tasting. Auch, wenn man vorher nicht das Internet bemüht hat, weiß man sofort: Wer hier den Hut aufhat, ist definitiv ein Freund des Genießens – nicht „nur“ des Bieres.

Dr. Markus Fohr, Inhaber der Brauerei, ist seit 2011 Biersommelier und hat es mit seinem feinen Geruchs- und Geschmackssinn 2018 sogar zum deutschen Meistertitel gebracht. Seine intensive und anspruchsvolle Auseinandersetzung mit dem Produkt hat aber schon weit früher begonnen – und Früchte der Anerkennung getragen:

Im Studium „Brauwesen und Getränketechnologie“ an der Technischen Universität München wurde der heute 55-Jährige 1993 für das Jahrgangsbeste Vordiplom ausgezeichnet, zwei Jahre später kam noch der Umweltpreis des Hofbrauhauses Freising für seine Diplomarbeit hinzu. Eine Promotion rundete schließlich den universitären Bildungsweg ab.

Fohr, ein großer, hagerer Mann mit freundlich-ruhigem Wesen, hat zwar etwas unbestreitbar Akademisches an sich. Aber er gehört nicht zu der Sorte Gelehrter, die in ihrem Studienfach verloren gegangen sind, sondern vermag er sein Gegenüber mit Begeisterung für die Sache und einer erfrischenden Offenheit abzuholen.

„Das Meiste, was Sie hier sehen, ist in meiner Zeit als Geschäftsführer dieser Brauerei neu dazugekommen oder in irgendeiner Form verändert worden“, erzählt Fohr und beginnt eine kurze Führung durch den Verkaufsraum. Die Lahnsteiner Brauerei, die bereit seit zehn Generationen in Familienbesitz ist, holt nicht nur eine große Bandbreite von Kund*innen ab, sie steht auch für den Wandel vom „Kippbier zum Nippbier“.

„Der Spruch ist nicht von mir, den habe ich geklaut, ich versuche das aber immer dazuzusagen“, schmunzelt Fohr. „Ich bilde mit der IHK Bierbotschafter aus, und am Ende eines Kurses hat ein Teilnehmer einer Reporterin auf die Frage, was er gelernt habe, geantwortet: ‚Ich kenne jetzt den Unterschied zwischen Kippbier und Nippbier‘. Das fand ich großartig.“

Kippbiere – oder „Schädelbräu“, wie Fohr sie auch gerne nennt, sucht man in den hiesigen Kühlschränken tatsächlich vergeblich. Stattdessen findet man neben Klassikern wie Pils und Zwickel eine Vielzahl an Craft-Beer-Sorten mit spannenden Namen wie „Cyprus Grape Ale“ und „Iron Finger Mega IPA“. Auch Kirschbier, Kräuterbier und Honigbier gibt es. Viele von ihnen sind aus Experimenten entstanden. Fohr ist durchaus für Späße zu haben und offen für die verschiedensten Einflüsse.

Das Spezialbier, das Fohr seiner Ehefrau Donka gewidmet hat, wurde zum Beispiel mit Thymian aus ihrer Heimat Bulgarien gebraut. Andere Biere bauen Fohr und seine Mitarbeiter auf Cognac- oder Bourbon-Chips aus. Heraus kommen Biere, die durchaus auch mal den Wein zum Essen ersetzen können.

„Wenn man nach dem Reinheitsgebot geht, ist das hier eigentlich alles illegal. Aber ich habe mittlerweile einen Ordner mit Sondererlaubnissen, der fast so groß ist wie der Kühlschrank hier. Bei uns werden die ungewöhnlichen Zutaten – Honig, Kirsche, Kräuter – mit vergoren. Bei anderen derartigen Bieren handelt es sich in der Regel um Biermischgetränke“, erklärt Fohr. Der Erfolg gibt ihm Recht: Seine Biere sind vielfach prämiert. Erst kurz vor meinem Besuch hat die Lahnsteiner Brauerei wieder sechs Auszeichnungen bei der internationalen „Finest Beer Selection“ erhalten.

Seiner und der Neugier seines Teams nachzugehen, ermöglicht Markus Fohr eine kleine „Testbrauerei“ mit 50-Liter-Kesseln, in denen jede Bieridee erst einmal in Probiermenge produziert wird, ehe sie potenziell in die reguläre Produktion geht.

Direkt neben dem Testbereich stehen acht glänzende Craft-Beer-Tanks mit einem Fassungsvermögen von bis zu 500 Litern. In diesem Teil der Brauerei wird noch viel „mit der Hand gearbeitet“, wie Fohr sagt. Die 20.000 Liter-Tanks, die ein paar Räume weiter stehen, laufen vorwiegend automatisiert.

Neben den Bieren der Lahnsteiner Brauerei entstehen hier auch Auftragsarbeiten für Spezialmarken, Concept Stores oder Gastronomien. Unter dem Motto „Wir brauen dein Bier“ bietet die Lahnsteiner Brauerei Kooperationen in verschiedenen Größenordnungen an – vom individuellen Etikett auf bereits existierenden Biersorten über die Produktion eingereichter Rezepte bis hin zur gemeinsamen Entwicklung neuer Biervariationen mit Kooperationspartner*innen. „Wir wollen auch ein BUGA-Bier machen“, verrät Fohr. Die Abstimmungen hierzu laufen bereits.

Lahnsteiner Brauerei

Auf der Rückseite der Brauerei liegt schließlich das, was man auf dem Etikett sieht – und was viele für die Burg Lahneck halten: Ein Teil der 1411 erbauten Stadtmauer samt Wachturm. Als im 19. Jahrhundert der Stadtgraben zugeschüttet werden sollte, war Johann Junker, ein Vorfahr Markus Fohrs, so findig, dieses Mauerstück zu erwerben, um den Graben als Kühllager nutzen zu können.

Am Turm prangt gut sichtbar das gelb-rote Logo der Brauerei – ein schönes Sinnbild für die Liebe zur Tradition und den Mut für Neues, die die Brauerei heute ausmachen.

„Unsere Branche tut zu wenig für ihr Produkt. Nach dem Abi, als ich Teil der Szene wurde, war Bier wirklich ein reines Saufprodukt mit Negativschlagzeilen – Bierbauch, Autounfälle, Jugendgefährdung. Ich dachte: ‚Hier läuft was falsch‘. Es kann nicht sein, dass wir unser Geld in Werbung stecken und unser Produkt immer billiger verkaufen“, erzählt Fohr auf dem Rückweg zum Ladenlokal. „Als dann diese Biersommelierbewegung aufkam, wusste ich, dass sich etwas verändert.“ Und Markus Fohr wollte und will aktiver Teil dieser Bewegung sein.

Als leidenschaftlichem Marathonläufer scheinen ihm etwaige „Extra Miles“ nichts auszumachen. Alles ist besser als Stagnation: „Mein Lieblingsspruch stammt von Gustav Mahler. Der hat gesagt: ‚Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche‘. Das versuche ich hier immer rüberzubringen.“

(Anm. d. Red.: das genannte Zitat wird Mahler fälschlicherweise zugeschrieben und stammt eigentlich von Jean Jaurès)

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