Music is the language – das 21. Horizonte Festival

Bei einem Treffen mit Mareike und Andreas vom Buga 2029 Team erfahre ich vom Horizonte Weltmusik Festival auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz, schaue auf die Website und bin ganz aus dem Häuschen. Das klingt nach einem so abwechslungsreichen Musikwochenende. Da möchte ich unbedingt hin!

Nun ging das 21. Horizonte Festival vor zwei Tagen zu Ende und ich sitze hier vor meinem Laptop und überlege, wie ich über meine herrliche Zeit auf dem Weltmusikfestival schreiben möchte? 

Ich kann nur einzelne Mosaikteile beschreiben, denn für jede Person wird es ähnlich und doch anders zugleich gewesen sein, unterscheiden sich die Bands und Künstler*innen, die im Ohr oder im Herzen geblieben sind, die Zeit mit Freund*innen und Bekannten und so viel mehr.

Freitagabend lasse ich Burg Sooneck hinter mir und fahre gen Festung Ehrenbreitstein am Rhein entlang. Es ist kühl geworden, wolkig, aber das Wetter kann meine Vorfreude nicht mindern und der Ausblick auf Rhein und Weinberge erheitert sowieso meine Stimmung. Beim offiziellen Parkplatz auf der Festung angekommen, werde ich erstmal aufgehalten, denn es gibt keine Parkplätze mehr. So stelle ich das Buga-Mobil weiter vorne hinter einem anderen Auto ab, naiven Glaubens, dass das bei so einem Festival bestimmt kein Problem sein wird. (Spoiler: Nein, auch noch am Abend werden unzählige Knöllchen verteilt, die perfekte Einnahmequelle für die Stadt Koblenz.) Ich möchte einfach nur so schnell wie möglich auf das Festivalgelände, zum Einen habe ich Hunger, zum Anderen möchte ich unbedingt die Star Feminine Band aus Benin sehen. 

Star Feminine Band

Die Beschreibung ihrer Musik als Afro-Pop, Traditional und Rock sowie die Geschichte ihrer Band hat mich gleich angesprochen. Die Band besteht aus jungen Frauen, die mittlerweile zwischen 12 und 20 Jahren sein müssten. Der Musikpädagoge André Baleguemon organisierte 2016 einen Musikworkshop nur für Mädchen in der Kleinstadt Natitingou. Er wollte quasi ein Zeichen gegen den respektlosen Umgang mit Frauen setzen, lese ich in einem Artikel über die Band. Viele Mädchen kamen neugierig zu dem Workshop, die meisten hatten noch nie auf einem Instrument gespielt, das sei in der westafrikanischen Tradition vorwiegend den Männern vorbehalten. Nach dem Workshop blieben sieben der jungen Frauen übrig, die seitdem miteinander musizieren und die Texte über Emanzipation, Kinderrechte, gegen weibliche Genitalverstümmelung und Zwangsheirat gemeinsam schreiben. Beim Horizonte Festival sind sie zum ersten Mal in Deutschland aufgetreten. Und was soll ich sagen, mich hat ihre Musik, ihre Lebensfreude mitgerissen und begeistert. Trotz teilweise schwerer Themen, die sie in ihren Texten verarbeiten, schenken sie uns eine heitere Zeit mit Tanzeinlagen. Leider finde ich im Anschluss den Verkaufsstand ihrer Alben nicht, dafür senden sie mir später den Link über Instagram. 

Ich schlendere weiter zur Casinobühne beim Café Hahn, bestaune erstmal ausgiebig die Abendstimmung über Koblenz und lausche den grandiosen Gitarrenklängen Gitanos de la Esquina aus Koblenz.

Gegessen habe ich übrigens feine Bärlauch Spätzle mit Zwiebeln und Trockenfrüchten. Yummy. Weinschorle gabs später auch. Das Angebot von Speis und Trank stimmt mich jedenfalls zufrieden und die Wartezeiten auch.

Um keinen zwei Meter Roman zu schreiben, picke ich mir meine ganz besonderen Lieblings-Acts heraus, die ich gern mit euch teilen will, denn an diesem Wochenende waren fast 40 Acts zu erleben, noch dazu diverse DJs und ein Salsa-Workshop samt anschließender Party am Samstagabend. 

Lia de Itamaraca

An diesem Freitagabend hat mich aber nicht nur die Star Feminine Band mitgerissen, sondern auch die eindrucksvolle brasilianische Sängerin Lia de Itamaraca, die mit ihren fast 80 Jahren soviel Respekt und Harmonie versprüht. Ich stehe ganz vorne vor der Bühne und kann mich an ihrem weisen Gesicht kaum satt sehen. Mein Herz geht auf. Plötzlich werde ich an der Hand genommen und in einen Kreistanz integriert. Bestimmt 15 Minuten tanzen wir alle gemeinsam Ciranda, so wird diese harmonische Verbindung aus Gesang, Percussions, Blasinstrumenten und Tanz genannt. Und während ich in einer Beschreibung von der befreienden, wohligen Atmosphäre auf Lias Konzerten lese, erinnere ich mich an den Abend und kann die Beschreibung nur bestätigen. Normalerweise tanze ich viel lieber allein, aber das war eine ganz besondere Atmosphäre, die mich auf dem Weg zum Auto beschwingt begleitet und mir bestimmt noch länger im Gedächtnis bleiben wird. Dieser Tanz hat mich außerdem auch mit einigen Menschen verbunden, die ich am nächsten Tag zufällig wiedertreffe und einige Worte wechsle. Eine junge Frau erzählt mir beispielsweise, dass das Horizonte immer ihr Jahreshighlight sei und sie jedes Mal neue Musik kennen lernt, die sie in den Alltag begleitet. Diese Erfahrung kann ich nur teilen, das abwechslungsreiche Programm spricht mich an und erweitert – wie gewünscht – meinen Horizont. 

Bero aus Mannheim

Am Samstag begegnen mir noch zwei Bands, deren Musik ich auf jeden Fall wieder hören möchte. Auf der Casinobühne spielt die vierköpfige Band Bero, die relativ spontan ins Programm reingerutscht sei, erzählt Stephan Maria Glöckner, der Festivalmoderator. Die Band habe sich an der Popakademie in Mannheim kennengelernt und eine ganz mitreißende Mischung aus traditionell türkisch-orientalischen Klängen sowie Pop und Rock gefunden. Mit dieser Musik wollen sie Brücken bauen, Bilder im Kopf entstehen lassen und unsere Seele massieren. Ich finde, das ist ihnen ganz exzellent gelungen. Der klare, eindringliche Gesang der Sängerin erklingt noch jetzt von Zeit zu Zeit in meinem Kopf. Einfach wunderschön.

La Fanfarria del Capitan

Gleich nach dem Konzert von Bero laufe ich zur Kultursommerbühne, wo bereits La Fanfarria del Capitan aus Argentinien spielen. Ich bin baff. Mit Keyboard, Trompete, Geige, Schlagzeug, Akkordeon, Bass, Gitarre und Gesang feiern sie voller Freude ihre Musik selbst und versprühen solch eine Energie, dass Alt und Jung sich in Bewegung setzen. Bei einem ruhigeren Song kniet sich Frontfrau Victoria Cornejo hin und alle auf der Wiese tun es ihr gleich. Wenig später hüpfen wir um die Wette, bis sogar einige der siebenköpfigen Band sich in die Menge stürzen und kurz mittanzen. Ich finde es bemerkenswert, dass La Fanfarria del Capitan auch nach zig Touren und Konzerten immer noch so authentisch wirken und Spaß an der eigenen Musik und der Interaktion mit dem Publikum haben. Ihre Musik wird als Mix aus Rock, Cumbia, Ska, Balkan, Latin und Tango beschrieben bzw. dem Genre Fanfaria Latina, das nach ihrer Musik benannt wurde. Die Band hat sich bereits 2004 in Buenos Aires gegründet und tourt seitdem um die Welt, gerade präsentieren sie ihr neues Album „El Cantomanto“. Nach drei Zugaben kaufe ich dieses an ihrem Merch-Stand, wo die Band gleich nach dem Konzert auch noch für Unterschriften und Fotos auftaucht. Eine Junggesellinnenabschiedsgruppe (was für ein Wort) hat es auf Victoria Cornejo abgesehen und so wird sie freudig für ein Foto in die Lüfte gehoben. 

Währenddessen verzieren die anderen Bandmitglieder meine CD mit Unterschriften und kleinen Zeichnungen. Übrigens gibt es auch La Fanfarria del Capitan Wein zu kaufen: einen argentinischen und einen organischen sogar aus dem Mittelrheintal genauer aus Ingelheim. Die Band findet, dass Wein und Musik verbinden und zu ihren Konzerten passen, auf denen es ja immer etwas zu feiern gibt, erzählt mir Gitarrist Jero (Jerónimo Cassagne) später in einer Sprachnachricht. Die Band ist übrigens zum zweiten Mal beim Horizonte und findet das Festival sehr inspirierend, weil es nicht oft die Möglichkeit gebe Bands aus der ganzen Welt zu treffen. „Wir freuen uns so verschiedene Musikrichtungen zu hören und am Samstag haben wir noch Son Rompe Pera gesehen. Die kannten wir schon, aber haben sie noch nie vorher live gesehen. They blow our heads.“ Besonders bedankt sich die Band beim Förderverein Kultur im Café Hahn, der seit 21 Jahren dieses Festival organisiert und das Festival immer mehr in Koblenz etabliert hat. „The audience get on fire. Egal ob bei den ruhigeren Songs oder den wilden, alle waren mit der Musik verbunden. Wir lieben es solche Konzerte zu spielen.“ In Deutschland ist die Band nochmal am 30.07. in Mannheim, am 02.08. in Traunstein, am 04.08. in Freising und am 06.08. in Wollmerschied zu sehen. Muchas gracias kann ich da nur immer wieder sagen! 

Pernilla Kannapinn

Nach so viel Euphorie gibt’s für mich noch ein wenig ruhigerer Klänge in der Festungskirche, wo Liedermacher*innen wie Götz Widmann oder Pernilla Kannapinn auftreten. Dieser Raum schenkt mir eine Verschnaufpause, das Licht in der Kuppel wirkt beruhigend und das Liedermacherprogramm ist eine gelungene Abwechslung zu den drei anderen Bühnen. Apropos Abwechslung, im Programm hätte ich mir tatsächlich noch ein, zwei Acts aus Asien oder Australien gewünscht, quasi um von allen Erdteilen Musik dabei zu haben und weil ich z.B. wenig chinesische oder indische Musik kenne.

// Für alle, denen Text und Wort nicht reichen und die ihren Horizont auch visuell-akustisch erweitern wollen, hier ein kleiner Videoeindruck vom 21. Horizonte Festival. //

Worauf ich auch verstärkt geachtet habe an diesen Wochenende: das Verhältnis von Musikern und Musikerinnen auf der Bühne. Die meisten Festivals sind ja sehr von männlichen Musikern dominiert, was im vergangenen Jahr die Komikerin Carolin Kebekus dazu veranlasste ein Festival nur mit weiblichen Acts in Köln zu organisieren. Auch an diesem Wochenende waren beim Horizonte Festival mehr Männer auf der Bühne zu sehen, aber ich habe das Gefühl, dass das Organisations-Team auf jeden Fall ein Auge auf die Beteiligung von Künstlerinnen hatte. Ich will es ganz genau wissen, schnappe mir Stift und Zettel und zähle fast genauso viele Bands mit weiblicher Beteiligung wie rein männliche Bands. Nur mehr Frauenbands wie die Star Feminine Band würde ich mir wünschen. Und da wir gerade beim Wünschen sind: Beim Anstehen für die brasilianischen Teigtaschen Pastel höre ich einen Herrn hinter mir, der den afghanischen Essensstand vermisst, der wohl in den letzten Jahren dabei gewesen war. In diesem Jahr gibt es jedenfalls neben Klassikern wie Crêpes, Falafel oder Pommes auch Spätzle oder Maniokbällchen. Aber auch auf der Terrasse des Café Hahns lässt sich mit Aussicht lecker schlemmen. Ich beobachte viele entspannte Menschen, die tanzen, lachen, sich unterhalten. Kinder, die auf dem Boden Löcher buddeln oder über den großen Platz vom Schlosshof flitzen. Dann schweift mein Blick wieder über den Rhein, Koblenz ab in die Weite. 

Auch am Sonntag genieße ich noch einmal das Festival samt magischen Festungsgelände, schlendere ein letztes Mal an den Marktständen vorbei, schaue aufs Deutsche Eck und lausche wieder neuer Musik, die mich begeistert. Auf der Kultursommerbühne gibt es am letzten Tag Elektronische Weltmusik und fünf verschiedene DJs legen von Afro House über Melodic Techno auf. Für mich wird es Zeit das Horizonte mit vielen eindrücklich Bildern im Kopf, neuer Herzensmusik und lebendiger Freude an den diversen Klängen der Welt zu verlassen. Ich komme wieder!

3 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert