Interview mit Weinprinzessin Julia Lambrich
Im September 2024 sitzen rund 60 Leute in einem Reisebus nach Neustadt an der Weinstraße. Es gibt Brezeln, Spundekäs und Wein – als Einstimmung auf ein Event, das sehr wichtig ist für die Region Mittelrhein: An diesem Tag entscheidet sich, ob Julia Lambrich ins Trio der Deutschen Weinhoheiten aufgenommen wird, das jährlich vom Deutschen Weininstitut eingesetzt wird, um die hiesige Weinszene im In- und Ausland zu repräsentieren. Den Vorentscheid absolviert sie mit Bravour, im Finale eine knappe Woche später wird sie mit Katharina Gräff von der Nahe zur Weinprinzessin gekürt, neben Charlotte Weihl aus der Pfalz, die das Amt der Weinkönigin für sich gewinnen kann.
Ich wollte von Julia wissen, wie groß der Miss-Wahlen-Charakter einer solchen Veranstaltung ist, wie ihr Terminkalender als Deutsche Weinprinzessin aussieht und welche Ziele sie in ihrer Funktion erreichen möchte.
Jetzt bist du zwei Monate deutsche Weinprinzessin. Wie sahen denn die letzten Wochen so aus?
Auf jeden Fall etwas stressig – aber schöner Stress! Es waren tatsächlich noch gar nicht so viele Termine, aber man muss auch erst mal da reinkommen. Es sind super viele neue Infos, die auf einen einflattern, es gibt viel zu beachten und die Vor- und Nachbereitung der Termine ist umfangreicher als im bisherigen Amt als Gebietsweinkönigin. Vergangene Woche war ich in Rostock beim Ball der Bundesmarine und davor in Offenburg bei einem Weinwettbewerb sowie zur Wein- und Sektprämierung in Trier. Wir waren auch schon an der hessischen Bergstraße im Zuge unserer Deutschlandtour. Im November waren es gut zehn Tage, die ich unterwegs war. Die An- und Abreise zu den Terminen ist natürlich auch etwas umfangreicher, da wir ja in ganz Deutschland und auch im Ausland unterwegs sind. Meistens stellt man Weine vor, kommt mit verschiedenen Leuten ins Gespräch, tauscht sich mit Fachleuten aus und hält Reden. Das macht super viel Spaß.
Okay, und all das managt das Deutsche Weininstitut?
Genau, da gibt es eine Person, die extra unseren Terminkalender koordiniert, eine Person, die uns die Reisekosten abrechnet, eine Person, die uns bei Social Media unterstützt. Ich dachte am Anfang, dass das vielleicht übertrieben ist, so viele Personen zu haben, die für einen zuständig sind. Aber jetzt weiß ich sehr zu schätzen, dass man uns hilft, alles zu koordinieren. Die Termine, an denen man teilnehmen darf, werden vom DWI recht streng ausgewählt, um bestmöglich mit der Marke Deutsche Weinkönigin beziehungsweise Deutsche Weinprinzessin umzugehen.
Was ist die Marke Deutsche Weinkönigin?
Damit meinte ich zum Beispiel, den Status der drei Weinhoheiten als Fachfrauen zu sichern. Deswegen werden zum Beispiel nur Termine angenommen, bei denen wir auch als solche auftreten können. Es gibt da ganz klare Kriterien, zum Beispiel, dass wir bei jedem unserer Termine eine fachliche Aufgabe haben. Wir betreiben Marketing für den deutschen Wein. Deswegen treten wir seit unserer Wahl auch nicht mehr als reine Gebietsweinhoheiten auf, sondern immer als Vertreterinnen des deutschen Weins insgesamt. Das gehört auch zur Marke.
Wie bereitet man sich denn überhaupt auf die Wahl und das Amt vor?
Da man in der Regel sowieso nur antreten kann, wenn man schon ein Jahr lang Gebietsweinkönigin oder -könig war, hat man natürlich schon super viele Routine darin erlangt, vor Menschen aufzutreten. Das ist sehr, sehr wertvoll. Klar, das Weinwissen muss natürlich vorhanden sein. Ich hatte jetzt das Glück, dass ich das studiert habe und beruflich mache. Schon eher vorbereiten musste ich mich auf den sensorischen Teil, also die Blindverkostung. Dafür muss man ganz, ganz viel Wein aus ganz Deutschland probieren – professionell probieren (lacht). Und Rhetorik ist natürlich auch immer so ein Punkt. Darin und im sicheren Auftreten durch Körpersprache habe ich mich intensiver vorbereiten lassen.
Und zu welchem Zeitpunkt lernt man die anderen Kandidatinnen kennen?
Alle gemeinsam kennengelernt haben wir uns beim Vorbereitungsseminar im August. Das sind drei Tage, wo wir dann auch nochmal in diversen Sachen unterrichtet werden. Wir haben einen ganzen Tag Englischkurs gehabt, es wurden Fotos gemacht und Pressetexte. Man bekommt eine Stilberatung und wird informiert, worauf man achten muss, wenn die Kameras an sind.
Deine Mama war 1992/93 ja auch schon Weinprinzessin. Und ich habe einen Zeitungsartikel gelesen, wo sie ganz bescheiden zitiert wurde, das sei damals ja noch gar nicht so eine große Sache gewesen. Wie hat sich das denn tatsächlich seither verändert?
Ja, es war tatsächlich damals ganz anders. Erst einmal wurde es ja noch gar nicht im Fernsehen übertragen und die Aufmerksamkeit der Presse ist heute auch viel höher. Man hat zwar damals schon Fachfragen gestellt bekommen, aber nicht in dem Umfang wie jetzt. Sie war damals eine der wenigen, die vom Fach waren. Das war damals echt unüblich. Heutzutage ist es ja mehr oder weniger Pflicht. Die Weinköniginnen waren damals eher schönes Beiwerk für Fotos. Und es war oft auch gar nicht unbedingt gefordert, dass sie irgendwas Fachliches sagen auf den Terminen. Aber meine Mutter hat mir einige Male erzählt, wie schön die Menschen es damals schon fanden, wenn sie direkt aus der Praxis erzählen konnte.
Du hast ja gerade auch angesprochen, dass mit euch vorher euer Aussehen auf der Bühne abgestimmt wurde. Und bei der Veranstaltung seid ihr durchaus sehr feminin, in Abendgarderobe aufgetreten, dann der Name Weinkönigin, das Krönchen… Wie wichtig ist die Optik bei dieser Wahl und vermittelt das nicht auch ein bisschen ein falsches Image? Gerade weil ihr Fachfrauen seid – und eben keine „Prinzesschen“.
Es wird sehr stark drauf geachtet, dass wir nicht nur als lachendes, winkendes Beiwerk gesehen werden, sondern als Businessfrauen. Auf Terminen tragen wir Businesskleidung. Die Krone gehört eben für die offiziellen Anlässe dazu und sie ist durchaus ein Türöffner. Sobald du sie auf dem Kopf hast, fällst du auf. In der Weinbranche wissen die Leute natürlich, wofür sie steht – und das ist dann schon eine große Hilfe. Aber wir tragen sie natürlich auch nicht dauerhaft bei jedem Termin (lacht).
Hinter der Wahl sowie dem Amt der Weinkönigin steht eine lange Tradition. Der Name ist bekannt. Zu diesem Namen ein neues Bild zu erschaffen und zu zeigen, dass sich das Amt gewandelt hat und Tradition mit Moderne verknüpft, ist im Grunde auch unsere Aufgabe.
Was die Bühnenoutfits angeht, wurde uns gar nicht zu Kleidern geraten, eher im Gegenteil. Dass ich im Vorentscheid eins anhatte, habe ich gegen den Rat des Stylisten so entschieden, weil ich mich darin wohlgefühlt habe. Aber ich denke, es ist aussagekräftig genug, dass mehr als die Hälfte der Mädels in Hosenanzügen auf der Bühne standen.
Gibt es Aufgaben in deinem neuen Amt, die du besonders gerne machst?
Ich halte super gern Grußworte bzw. kurze Reden, weil man da so viel draus machen kann. Viele erwarten oft nur so ein obligatorisches ‚Schön, dass wir hier sind oder herzlichen Glückwunsch‘ von einer Weinmajestät. Aber wenn man ein Mikro bekommt, dann ist es immer eine Chance. Man kann sich ein Thema aus der Weinbranche aussuchen, welches einen gerade beschäftigt oder zum Anlass passt. Und da darf man auch gerne mal etwas kritischer drüber reden. Somit wird man auch durch ein kurzes Grußwort wieder ganz anders wahrgenommen, das finde ich immer sehr spannend.
Und wie regelt ihr, wer von euch wo vertreten ist?
Das macht auch die Dame vom DWI, die uns koordiniert. Oft werden wir aber auch einfach gefragt, wer zu welchem Termin möchte. Wir sind sehr gut vernetzt und verstehen uns super, da kriegen wir es hin, uns zu einigen.
Hast du das Gefühl, dass das, was du in deinem Amt bisher mitbekommen hast oder noch mitbekommen wirst, auch für den Mittelrhein etwas bringt?
Absolut. Ich darf zwar als Deutsche Weinprinzessin nicht aktiv für den Mittelrhein werben – das werde ich auch nicht tun. Aber ich bleibe ja immer noch die gleiche Person und werde überall als Julia vom Mittelrhein vorgestellt. Entsprechend werde ich nach der Region gefragt und erzähle dann auch davon. So kommt der Mittelrhein ins Gespräch. Hinzu kommt, dass viele Leute das Vorstellungsvideo vom Vorentscheid gesehen haben, das ja auch den Mittelrhein und seine Landschaft schön mit eingefangen hat. Es haben schon ein paar Leute bei uns vor der Tür gestanden, die extra ‚wegen der Deutschen Weinprinzessin‘ hergekommen sind. (lacht)
Außerdem habe ich nun das Privileg, in der deutschen Weinbranche hinter die Kulissen schauen und Kontakte knüpfen zu dürfen. Dabei kann ich natürlich auch Inspirationen sammeln und nach meiner Amtszeit hier im Tal Ideen mit einbringen.
Hast du grundsätzliche Ziele oder Wünsche für den deutschen Weinbau, an denen du gerne mitarbeiten würdest in deiner Funktion jetzt?
Ja, wir haben uns auf jeden Fall auch zu dritt Gedanken gemacht, was da unsere Punkte sind. Das Wichtigste ist eigentlich das Banalste: dass wir so vielen Menschen wie möglich den deutschen Wein näherbringen. International ist Deutschland ja immer noch eine kleine Weinbaunation, im Vergleich zu Frankreich, Spanien, Italien zum Beispiel. Und mir persönlich liegt auch noch besonders am Herzen, dass wir – gerade weil ich aus so einem kleinen Gebiet komme – möglichst alle Winzer abholen. Vom kleinen Betrieb bis zur riesigen Kellerei. Dass jeder sich gesehen fühlt und erkennt, dass wir für alle Betriebe werben. Dazu gehört für mich auch, nach außen Transparenz zu schaffen und zu erklären, wie Weinerzeuger arbeiten, warum Winzerweine teurer sind als die im Supermarkt und so weiter. In jedem Gespräch, in jedem Grußwort haben wir die Möglichkeit, Menschen zu informieren – das mögen kleine Schritte sein, aber es führt alles zum Ziel.
Wenn dieses Jahr vorbei ist, wie geht es dann weiter? Weißt du das schon?
Man lernt in diesem Amt unheimlich viel, lernt viele Leute kennen und es ergeben sich bestimmt einige Wege für die Zukunft. Ich bin ich da noch ganz offen und möchte das einfach mal auf mich zukommen lassen. Ein bisschen Erfahrung zu sammeln ist ja nie verkehrt.
Wo führt es dich denn als nächstes hin?
Im Dezember fahren wir noch den Deutschen Weinbauverband besuchen und erstellen Content für Social Media. Anfang Februar geht es dann los mit einigen Stopps unserer Deutschlandtour. Wir besuchen die Nahe, den Mittelrhein, und von da darf ich direkt weiter nach Paris, auf die Vinexpo. Aber es kann auch sein, dass noch kurzfristig Termine reinkommen – da müssen wir recht flexibel sein in der Planung.