Rhein in Flammen – wer löscht?

Rhein in Flammen ist das Happening schlechthin im Oberen Mittelrheintal und auch ich konnte mich vom traditionsreichen Feuerwerkspektakel in Koblenz und Oberwesel überzeugen. Viele Köpfe und Hände helfen mit, dass diese Großveranstaltung so gelingt und jedes Jahr tausende Menschen wie ein Magnet ins Tal holt. Neben all dem Zauber sind solche Veranstaltungen generell nicht ungefährlich. Tausende (alkoholisierte) Menschen auf einer kleinen Fläche neben dem Rhein, befahrenen Straßen und Gleise, das ist eine logistische Herausforderung. Hinzu kommt bei Rhein in Flammen eben auch Letzteres: die Flammen und damit die Gefahr von Bränden. So wie ich es in Oberwesel live miterlebt habe:

Als ich 19 Uhr zur Schiffsanlegestelle laufe, ist die Stimmung ausgelassen, es wird geplaudert und getrunken, viele Leute sitzen bereits am Ufer oder stehen auf der Stadtmauer, um sich einen guten Platz fürs Feuerwerk zu sichern. Eine Blaskapelle spielt, als ich an Bord des gecharterten Schiffs des Stadtbürgermeister Marius Stiehl gelange. Neben den lebhaften Gesprächen und neuen Bekanntschaften bewundere ich die eintreffende Nacht mit ihren Lichtern, schaue ins schimmernde Wasser und auf die umliegenden Felsen und Weinberge.

Als wir von der Fahrt bis St. Goar/St. Goarshausen zurück nach Oberwesel gelangen, bemerke ich ein Feuerwehrauto auf der Stadtseite. „Was hält wohl die Feuerwehr von Rhein in Flammen?“, geht es mir durch den Kopf. Nach der magischen „Nacht der 1000 Feuer“ – komponiert von Thomas Fischer und seinem Team von Beisel Pyrotechnik – bemerke ich einen kleinen Brand rechtsrheinisch auf einem Steilhang. Sofort stehen die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr bereit. Durch die steilen Hänge haben sie erst Mühe zum Feuer durchzudringen. So können wir vom Schiff aus mit ansehen, wie schnell sich das Feuer verbreitet. Da nur eine kleine Fläche brennt, hat die Feuerwehr die Situation schnell unter Kontrolle. In den trockeneren Vorjahren habe es schon viel größere Feuer gegeben, erfahre ich von den Oberweselern neben mir. Da wird mir einmal mehr bewusst, dass sich die Feuerwehrleute in Gefahr begeben, während wir fröhlich in den Himmel schauen und Weinchen trinken.

Mit der Mittelrheinweinprinzessin Verena, Juli I. Weinhex von Oberwesel, Loreley Katharina und Mittelrheinweinprinz Gero

Ein paar Tage später habe ich Jörg Preißmann, Wehrleiter der VG Loreley, am Telefon. Preißmann, als fachlicher Vertreter des Verbandsbürgermeisters Mike Weiland, ist seit 2018 für 42 Kilometer Rheinstrecke und um die 500 Freiwillige Feuerwehrleute verantwortlich, die jeweils in ihren Ortsgruppen organisiert sind. Er war zwar in diesem Jahr nicht in Oberwesel dabei, aber hat bereits viele der Veranstaltungen als Wehrleiter und zuvor als stellvertretender Wehrleiter mit begleitet. Vor 2009 ist er bei Rhein in Flammen auch das ein oder andere Mal als Zuschauer dabei gewesen. Seitdem erlebt er die Veranstaltungen im Einsatz.

Vor der Veranstaltung selbst werde aber erst einmal geplant: „Es gibt die Vorbesprechung mit der Stadt, wo wir durch unsere Erfahrungswerte der letzten Jahre planen, wie viele Einsatzkräfte und welche Fahrzeuge es braucht.“ Bei Rhein in Flammen in Oberwesel sei besonders, dass die Feuerwerkskörper von der B42 rechtsrheinisch abgeschossen werden und das Feuer oftmals auch auf die Gleise komme. Deshalb stehen Jörg Preißmann und seine Kollegen nicht nur im Austausch mit den Pyrotechniker*innen, sondern auch mit dem Notfallmanager der DB. Im Hellen wird der Ort des Geschehens zuvor auch begangen. So waren beispielsweise bei Rhein in Flammen Oberwesel 22 freiwillige Feuerwehrleute aus der VG Loreley vor Ort in Bereitschaft. „Die zwei Fahrzeuge haben 7000 Liter Wasser zum Löschen geladen, aber es gibt zur Not noch unendlich viel Nachschub aus dem Rhein“, erklärt mir Jörg Preißmann. Falls es zu einem großen Brand komme, werden die Einheiten linksrheinisch alarmiert. Dabei lobt Preißmann die Zusammenarbeit der einzelnen Ortsgruppen, die links- wie rechtsrheinisch, ob aus dem Rhein-Hunsrückkreis oder Rhein Lorch zusammenarbeiten. Die Vorbereitung werde mit jedem Jahr besser und die Einsatzkräfte können auf die verschiedenen Situationen reagieren. Die Freiwillige Feuerwehr ist dabei nicht nur an Land vertreten, sondern begleitet auch den Schiffs-Korso beispielsweise mit dem modernen Hilfeleistungslöschboot St. Goarshausens.

Ich möchte gern von Jörg Preißmann wissen, wie so ein geplanter Einsatz im Gegensatz zu plötzlich eingehenden Notrufen bei Brand, Hochwasser oder Unfällen sei. „Wesentlich besser“, meint er und erzählt von den anerkennenden Begegnungen vergangenes Wochenende bei Rhein in Flammen in St. Goar, wo er in St. Goarshausen in Bereitschaft war. Durch die Uniform komme er immer ins Gespräch mit Menschen und so hatte er sich z.B. mit einem Dortmunder unterhalten, der auch bei der Feuerwehr aktiv ist. 

Leider hat Jörg Preißmann nicht nur positive Reaktionen als Feuerwehrmann erfahren. „Manche beschweren sich über den Lärm, wenn wir nachts gerufen werden und mit Tatütata losfahren.“ Viele Menschen würden nicht wissen, dass 95 Prozent der Feuerwehr ehrenamtlich arbeiten. „Wir wünschen uns, dass unser Ehrenamt anerkannt wird“, verdeutlicht Preißmann. Ja, richtig gehört: Feuerwehrleute wie Wehrleiter Jörg Preißmann arbeiten ehrenamtlich neben ihrem Hauptberuf bei der Freiwilligen Feuerwehr. Erst kürzlich bei der Kerb in Niederheimbach habe ich davon erfahren und dachte erstmal, im falschen Film zu sein. Verrückt und bewundernswert zugleich, dass so viele Feuerwehrleute, die Menschenleben retten, diese so verantwortungsvolle Aufgabe ehrenamtlich übernehmen. In Rheinland-Pfalz gilt, dass in Städten mit mehr als 90.000 Einwohnern die Feuerwehr aus hauptamtlichen Feuerwehrleuten (Berufsfeuerwehr) bestehen muss. In Gemeinden ohne Berufsfeuerwehr muss demnach die Freiwillige Feuerwehr ran. 

Aber wie funktioniert überhaupt so ein Alarm möchte ich von ihm wissen. Bei einer Alarmierung über Sirene oder übers Handy, wird dieser erstmal an die jeweilige Ortschaft gesendet. Sind nicht genügend Feuerwehrleute vor Ort, da sie z.B. in Kaub leben, aber an einem anderen Ort arbeiten, wird durch die Alarmstufenerhöhung, der Alarm in die nächste Ortschaft weitergeleitet. 

Bei den Einsätzen sind Eigenschutz und Vorsicht geboten. „Der Teufel ist ein Eichhörnchen und es kann immer etwas passieren“, meint Wehrleiter Preißmann. Er trägt auch die Verantwortung, zu wissen, welche Leute er wohin schicken kann. Manche können erschreckende Rettungsaktionen bei Unfällen oder Bergung von Ertrunkenen einfacher verarbeiten, als andere. 

Aber es gibt zum Glück nicht nur die schlimmen Erlebnisse: Erst Mitte August hat es auf der L335 zwischen Braubach und Dachsenhausen einen schweren Verkehrsunfall gegeben. Ein LKW kippte in einer Kurve auf das Auto der Gegenseite. „Zum Glück konnten wir alle vier Personen ohne große Verletzungen aus dem Auto holen. Auch der LKW-Fahrer war nur leicht verletzt.“ Vor kurzem haben sich die Verunfallten bei einem Dankesfest bei jeder Einsatzperson persönlich bedankt. „Solche positiven Erfahrungen bleiben hängen“, meint Jörg und ich kann spüren, wie stolz er auf die geleistete Arbeit ist. 

Preißmann ist hauptamtlich kaufmännischer Angestellter in einem Chemieunternehmen und wirkt auch durch seine Erfahrung bei der Feuerwehr im Krisenstab des Unternehmens mit. Bei seinem Arbeitgeber trifft er auf Verständnis für sein Ehrenamt und wird für bestimmte Einsätze auch mal freigestellt. „Von Anfang an hat mir die Arbeit bei der Feuerwehr Spaß gemacht“, erzählt er mir. Motiviert durch seinen Vater, der bereits Feuerwehrmann war, kam er mit zehn Jahren dazu und ist auch 46 Jahre später noch Feuer und Flamme. „Jetzt kannst du dir mein Alter ausrechnen.“, scherzt er. 

Da wir schon über das Alter reden, möchte ich gern wissen, wie es um den Nachwuchs steht. Jährlich finde ein Ausbildungskurs statt. In diesem Jahr kamen 30 Neue zur VG Loreley dazu. „Nicht nur von der Jugendfeuerwehr, sondern auch Seiteneinsteiger, die schon älter sind.“ Im Gegensatz zu anderen Vereinen sei die Freiwillige Feuerwehr VG Loreley ein „gleichbleibender Boom“, trotzdem könne es nie genug Mitglieder geben. Im letzten Jahr wurde deshalb auch die Werbetrommel gerührt und der Werbeimagefilm „Viel mehr als nur Feuer löschen“ über die Freiwillige Feuerwehr VG Loreley gedreht. „Einige hat das angesprochen und sie kamen dazu.“ 

Die Feuerwehr-Ausbildung und Ausrüstung habe sich übrigens gerade durch den Klimawandel verändert. Ob Waldbrände, Starkregen und die entstehenden Überschwemmungen: Sie müssten mit allem rechnen und vorbereitet sein. So kommen wir auch wieder auf Rhein in Flammen zu sprechen. Denn auch bei Feuerwerken werde ja heftig über Nachhaltigkeit diskutiert. Wehrleiter Preißmann hat beispielsweise bei dem Pyroforum in Boppard über die Möglichkeiten von Lasershows erfahren. Auch im Oberweseler Stadtrat wurde die Umstellung auf eine Lasershow bereits vor vier Jahren diskutiert, aber durch die lange Tradition des Feuerwerks am Mittelrhein, erfahren solche Vorschläge viel Abwehr. Preißmann geht aber trotzdem davon aus, dass sich in den nächsten Jahren bei Rhein in Flammen etwas ändern werde. Die Freiwillige Feuerwehr, DLRG, DRK, Polizei und Viele mehr werden jedenfalls weiterhin ihr Bestes geben, damit die Zuschauer*innen Rhein in Flammen genießen können, meint er. Stellvertretend für alle freiwilligen Feuerwehrsleute bedanke ich mich bei ihm. Ein Leben ohne ihr Ehrenamt ist schlichtweg nicht vorstellbar und eine Feier wie bei Rhein in Flammen schon gar nicht.

Wieder an Land schaue ich noch mit meinen Eltern beim Oberweseler Weinmarkt vorbei. Die Stimmung ist nach wie vor heiter und ausgelassen. Es ist so voll, dass wir kaum zu den Ständen gelangen. Schließlich stehen wir aber doch mit einem leckerem Riesling in der Hand zwischen all den Menschen. Zum Wohl auf den einmaligen Abend, zum Wohl auf all die Menschen, die uns solche Feste ermöglichen.

// Ein paar weitere Eindrücke von Rhein in Flammen Oberwesel 2023//

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