Seit jeher ist der Mensch neugierig, wie andere leben. Nicht umsonst sind Formate wie Big Brother, MTV Cribs oder Frauentausch so beliebt. Kürzlich haben auch die Hechers aus Trechtingshausen ihre Türen für eine „Roomtour“ geöffnet – nicht etwa, weil sie eine besonders extravagante Wohnung präsentieren, sondern vielmehr weil sie zeigen wollten, dass hinter den extravaganten Mauern, die sie ihr Eigen nennen „ganz normale Menschen“ leben.
In dritter Generation bewohnen sie Burg Rheinstein, ein beliebtes Ausflugsziel für Familien und Reisegruppen aus der ganzen Welt. Eigentlich lassen sie also jeden Tag Fremde in ihre vier Wände schauen – aber eben nicht ganz. Und was die Trennung von Privatem und Öffentlichem angeht, musste die Familie, die seit 1975 hier wohnt, sich auch erst finden.
Schaut man in die Annalen der Hechers und ihrer Heimatburg Rheinstein, ist alles dabei: Comedy, Drama, Lovestory – und ein bisschen Krimi. Seit dem Beginn ihrer „Burgherrschaft“ hat sich hier eine filmreife Geschichte in mehreren Episoden abgespielt. Dass sie im Jahre 1975 im wahrsten Sinne des Wortes bühnenreif begann, lag auch an ihrem Protagonisten, Herrmann Hecher, seines Zeichens Opernsänger aus Österreich und Pächter der Burg Reichenstein.
Ein kurzer Rückblick.
Was bisher geschah…
Als eines Tages eine Sekte die Nachbarburg erwerben will, sieht der extrovertierte Macher seinen Moment gekommen und schreitet ein. Er besorgt sich Geld vom Land, lässt den Kaufvertrag der Hare Krishna platzen und zieht selbst mit seiner Familie in den völlig heruntergekommenen Adelssitz. Mit dem Projekt Rheinstein hat er nun eine gigantische Spielwiese zur Verfügung, die nicht nur seine Begeisterung für die Historie kitzelt, sondern auch seiner Eitelkeit schmeichelt. Seine Vision bestimmt fortan alles. Auch den Lebensweg von Sohn Markus, der den Vater bei deren Umsetzung unterstützen muss. Es ist viel zu tun, seine Ausbildung zum Hotelfachmann kann Markus nicht abschließen. Alles für die Burg, in deren Hauptgebäude sich die Familie wohnlich eingerichtet hat. Aber nicht nur die alten Mauern, auch Hermann Hecher wird zur Attraktion. Medienwirksam tritt er als Herr der Burg Rheinstein auf. Als der Senior die Geschicke seines Lebenswerks im Alter mehr und mehr an Markus und dessen Sohn Marco abgibt, können diese ihre eigene Vision für den Ort realisieren… eine wesentlich bescheidenere. Sie wollen weg vom Burgherren-Image und hin zur Normalität – egal, wie alt ihre Hauswände sind.
Die Familie krempelt das Leben in den alten Mauern um. Sie verlegt sämtliche Privaträume ins Gesindehaus, schafft eine klare Trennung. Hier der Haupttrakt, die Attraktion, der museale Ort, dort das unscheinbare Nebengebäude, das Zuhause.
Wenn man Marco Hecher und seine Frau Cora nach ihrer eigenen Haltung zum Burgleben befragt, kommt man „am Opa“ nicht vorbei. Denn dessen Entscheidung zum Kauf einer verfallenen Burg im Jahre 1975, seine Definition vom Image eines Burgherren bestimmte nicht nur, wo die jungen Eltern heute leben, sondern auch wie. Und das hat ebenso mit Nachfolge wie mit Abgrenzung und Verantwortung zu tun.
Abgrenzung
„Aristokratisches Leben können wir nicht bieten“, sagen die beiden und lachen. Einen Adelstitel trägt keiner in der Familie Hecher, und doch war mit der Burg Rheinstein und ihren Besitzern zunächst alles andere als Label der „normalen Menschen“ verknüpft. Opa sei halt ein Frontman gewesen – und so habe er das Eigenheim als Bühne genutzt. „Es gibt ein Bild, das hat er, glaube ich, mal für die Bildzeitung gemacht. Da steht er sich oben am Turm und schwenkt so ein Schwert. Wenn wir als Familie irgendwo essen waren, dann hat es fünf Minuten gedauert und der ganze Laden wusste, dass er der Besitzer der Rheinstein ist. Dazu die exzentrische Kleidung: Mantel, Tiroler Hut, Seidenschal“, erzählt Marco Hecher und schmunzelt.
Auf diesen Teil der Familiengeschichte hat das junge Paar einen liebe- und humorvollen Blick. Trotz der Neuausrichtung der Burg sperren sie die jüngere Vergangenheit nicht aus: sie behandeln die Ära von Opa Hermann als Teil der Burggeschichte. Und das funktioniert gut. Wer Rheinstein besucht, kann von der Erbauungszeit über den Wiederaufbau unter Friedrich von Preußen nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel bis hin zum Kauf durch Hermann Hecher alle Epochen durchschreiten – das ist unterhaltsam und schafft eine Nähe zur Historie dieses Gebäudes, die normalerweise sehr weit weg erscheinen würde.
Nachfolge
Und wie gehen die Hechers mit ihrer eigenen Rolle um? Nun, wer eine Burg bewohnt, wird niemals das Besondere abschütteln können, das damit unweigerlich für Außenstehende verknüpft ist. Ein Spiel, das zu spielen man erst lernen muss. „Anders als andere Burgenbesitzer, waren wir ja keine reichen Unternehmer, Industriellen oder so etwas. Entsprechend haben die meisten schnell festgestellt, dass ich ‚ganz normal‘ bin. Trotzdem haben die Leute ja eine gewisse Vorstellung, was das für welche sind, die so eine Burg bewohnen. Eine Weile hatte ich damit zu kämpfen. Wenn man im Dorf aufwächst und ein bisschen rausfällt aus dem Muster, egal aus welchen Gründen, fällt das auch schnell auf, ist immer wieder Thema“, erzählt Marco. „Ich bin damit entsprechend nie hausieren gegangen.“
Auch als er vor 16 Jahren bei einer Fastnachtsveranstaltung Cora kennenlernt, bleibt das Thema Burgherrentum erst einmal außenvor. Seit 2008 sind Marco und Cora ein Paar, haben inzwischen zwei Kinder und einen Familienhund. Cora, die ursprünglich Soziale Arbeit studierte, hat ihren Lebensweg neu ausgerichtet, um ihren Mann beim Ausbau des Familienunternehmens Burg Rheinstein zu unterstützen.
Für ihren Alltag zwischen Beruf und privatem Familienleben haben sie einen Mittelweg gefunden. Als Bewohner der Burg Rheinstein sind sie eben auch Gastgeber und wecken die Neugier Fremder. Als solche zeigen sie sich auch – dem Interesse von außen begegnen sie als „Burgfamilie“. Ihre Lebensaufgabe funktioniert als Teamwork.
Marcos Eltern sind weiterhin mit helfender Hand auf Rheinstein dabei und Vater Markus konnte über die Jahre ein neues, ungezwungeneres Verhältnis zum Lebenswerk seines Vaters aufbauen. Coras Mutter Angelika kümmert sich als Teil eines freundlichen, engagierten Teams liebevoll um Gäste und Gärten der Burg Sooneck, deren Pächter Marco und Cora seit drei Jahren sind. „Die Menschen finden es schön zu wissen, wer das hier macht. Man kennt inzwischen den Namen Hecher. Ein bisschen wie bei Hipp“, zwinkert Cora. „Deshalb haben wir entschieden, zu zeigen, dass wir hier oben leben, dass diese Burg auch unser Zuhause ist. Und dafür, dass wir so persönlich auftreten, erhalten wir wachsenden Respekt.“
Verantwortung
Marco und Cora auf ihre Rolle als Bewohner oder Eigentümer zu reduzieren, wäre jedoch zu kurz gegriffen. Denn sie sind ebenso Unternehmer, Gastronomen und Denkmalpfleger. Sie repräsentieren den Mittelrhein und seine Baudenkmäler im Rahmen von Tagungen und Netzwerkveranstaltungen, kümmern sich um die Instanthaltung und -setzung ihrer Burgen, sie beherbergen Menschen und ermöglichen ihnen so einen noch dichteren Kontakt zur Geschichte des Mittelrheins.
Ihr Leben spielt sich ab zwischen Marketing, Repräsentation und handfester Arbeit. „Von morgens Toilette sauber machen bis zu Fernsehterminen oder spontanen Reparaturarbeiten kann an einem Arbeitstag alles dabei sein“, erzählt Marco.
Die wohl wichtigste Aufgabe der Hechers ist die Denkmalpflege. Die wird durch den Klimawandel immer herausfordernder. Auf Burg Rheinstein leiden historische Buntglasfenster unter der Hitze der letzten Jahre. Es müssen Lösungen für bisher unbekannte Probleme gefunden werden. Dabei hilft Vernetzung. Cora war im Juni dieses Jahres als Vertreterin beim Symposium „Brennpunkt Klimawandel“ dabei und hat dort aus der Perspektive einer Privateigentümerin gesprochen. Im August hat sie die Staatssekretärin Simone Schneider empfangen und gemeinsam mit der GDKE für die Situation der regionalen Baudenkmäler sensibilisiert.
Im Angesicht der vielen Aufgaben und des klassischen Saisongeschäfts war es für die junge Familie lange kaum möglich, mal frei zu nehmen. Dieses Jahr haben Cora, Marco und ihre Kinder zum ersten Mal seit 15 Jahren Urlaub während der großen Schulferien gemacht. Ihre wohlverdiente Pause vom Burgleben haben sie in Tirol, Opa Hermanns alter Heimat, verbracht, die sie dieses Jahr erstmals gemeinsam im Sommer erlebt haben.
Wem dieser Beitrag nicht Einblick genug ist, dem wird sicher die schöne Roomtour der Kollegen vom SWR gefallen. Bei Hechers ist man gerne zu Gast – auch virtuell.
Liebe Buga-Bloggerin,
wieder eine schöne Geschichte, die Sie da geschrieben haben: moderne Burgenchefs – spannend. Doch zum ersten Mal ist mir ein richtiger Fehler aufgefallen: Sie wollten doch sicher Instandhaltung mit „d“ schreiben, oder war die Variante mit „t“ im Sinne des Instant-Kaffees ein Gag? Zutrauen würde ich es Ihnen. Viel Spaß bei Ihrem Buga-Burgen-Bloggerinnen-Leben weiterhin.
Ihr Fan
Markus