Vom Knall der Kanonen, Gemeinschaft und Nachwuchssorgen

Wisst ihr, was ein Biwak ist? Ich wusste es nicht, als mir Arndt Sloykowski aus Kaub eine Mail schrieb und mich zum Biwak -Feldlager- auf dem Platz am Lotsenhaus gegenüber der Burg Pfalzgrafenstein einlud. Von Freitag bis Sonntag (18.-20.08.) kampierten dort zum dritten Mal um die 30 Reenactors, die die Zeit der Befreiungskriege darstellen. Ausgangspunkt für dieses Biwak ist die Überquerung des Rheins bei Kaub Anfang Januar 1814 durch die schlesische Armee unter Generalfeldmarschall Blücher. Beim Lesen der Mail überlege ich kurz, ob ich die Einladung annehmen soll? Für das Militär und Kriegsgeschehen kann ich mich wenig begeistern. Aber ich bin neugierig, wieso Menschen wie Arndt in originalgetreue Uniformen schlüpfen und alle die wollen, an Lagerleben und Scharmützeln teilhaben lassen. 

Sonntag früh kurz nach 9 überquere ich bei Niederheimbach den Rhein. Die Wolken hängen noch im Tal. Wenig später laufe ich auf das Biwak in Kaub zu. Die zehnköpfige Soldatengruppe formiert sich gerade und läuft im Gleichschritt mit Trommel Richtung Kaubmitte am Rhein entlang. Von der Fähre kommen gerade einige Oldtimer gefahren und winken den Marschierenden zu. Ich begleite die Gruppe durch die Gassen Kaubs, wo so einige Menschen draußen an Tischen ihr Frühstück einnehmen. Interessierte Gesichter begleiten uns, einige schmunzeln, vielleicht über die Ernsthaftigkeit, mit der da folgsam marschiert wird.

Am Marktplatz wird dann strammgestanden und den Befehlen des Generals gefolgt, bis dieser eine Pause einleitet und sich alle regen dürfen. Später erfahre ich von Reenactor Hans Nitschke, dass es ihm nicht um das Militärische geht, sondern um den Spaß an Geschichte. Und der Formaldienst, die harten Regeln und der Gehorsam der Preußen sollen eben nicht verherrlicht werden oder in Vergessenheit geraten, sondern möglichst authentisch dargestellt werden. Nach einem ausgiebigen Plausch geht es für die Gruppe und mich über das Blücherdenkmal zurück zum Biwak, wo sich alle erstmal im Schatten ausruhen und mir gleich Wasser anbieten. Die Sonne knallt mittlerweile und es sind um die 30 Grad. Ich bin froh, gerade nicht in den dicken Uniformen stecken zu müssen.

Die einzelnen Männer der Truppe kommen übrigens längst nicht nur aus Kaub, sondern aus Bonn, Koblenz, Oberursel, sogar ein Mann aus Belgien ist dabei, der in ganz Europa herumreist, an Biwaks teilnimmt oder auch mal als Komparse auftritt. Auch der Nachwuchs marschiert mit, so finden sich unter der übrig gebliebenen Truppe Vater und Sohnemann aus Oberursel und auch ein Jugendlicher aus Kaub ist mit dabei. Es ist der letzte Biwak-Tag und fast zwei Drittel der Truppe sind bereits abgereist.

Jean Noel Charon, Mitglied von Die Preußen SST72 e.V.

Ich laufe im kleinen Feldlager umher, werfe einen Blick in die weißen Zelte und erfahre von Jean Noél Charon, dass die Zelte echter Luxus sind und es im Krieg früher keine Zelte gab, sondern auf dem Boden geschlafen wurde, weil das Aufbauen zu viel Zeit gekostet hätte. Jean hat auch einen kleinen Tisch arrangiert, auf dem nicht nur echte, alte Munition und Kanonenkugeln liegen, sondern auch Bücher, die er geschrieben hat. Zum Beispiel über Louis-Lazare Hoche, einem französischen General am Rhein. Bevor wir das Gespräch vertiefen können, geht es weiter im Programm: Das Ende des Biwaks wird durch die Zündung von Kanonenkugeln eingeleitet. Natürlich wird nicht mit echter Munition geschossen, aber es knallt und qualmt ganz ordentlich und ich bin froh, dass mir vorher Ohropax gegeben worden sind. Unvorstellbar wie laut so eine Schlacht gewesen sein muss, wenn zeitgleich mehrere dieser Kanonen gezündet wurden und noch die Gewehrschüsse dazu gekommen sind. 

Arndt nimmt sich nun Zeit für mich und meine Fragen und wir setzen uns auf eine Bank im Schatten. Er erzählt mir von den Blüchertagen, die jedes Jahr von 2007 bis 2017 in Kaub stattgefunden hatten und viele Menschen nach Kaub brachten. Es sei ein großes Fest mit Theatervorführungen, Markttreiben und Schlachtdarstellungen gewesen. Auch die Blüchertage erinnerten an die Rheinüberquerung von um die 50.000 Soldaten Blüchers schlesischer Armee durch eine selbstgebaute Brücke aus Leinwandpontons und den darauffolgenden Sieg über Napoleon. Arndt hofft, dass die Blüchertage angeregt durch die Buga 2029 wieder stattfinden werden. Er erzählt mir von der Freude über die Bundesgartenschau, die aber bisher in Kaub kaum aktiv vorbereitet werde. “Was hier fehlt ist eine Art Aufbruchstimmung”, meint er. Manchmal habe er das Gefühl, einige Orte am Oberen Mittelrhein arbeiten eher gegeneinander, als miteinander. Zudem gebe es auch hier in Kaub ein großes Nachwuchsproblem: Von den über 20 Vereinen, sind nur noch drei übrig geblieben. Wir kommen natürlich auch wieder auf das Biwak und Arndts Hobby als Reenactor zu sprechen. Aber hört selbst:

Organisator des Kauber Biwaks Arndt Sloykowski

Nach und nach werden die Zelte abgebaut, die Ausrüstung eingepackt und sich freundschaftlich voneinander verabschiedet. Das Wiedersehen wird bei den meisten nicht lange dauern. Vom 07. bis 08. Oktober veranstaltet der Besitzer der Burg Gutenfels Tan Diekmann ein Biwak und Einige wollen wieder mit dabei sein.

Ich bleibe noch in Kaub, sitze im Weinbistro Kaub-mitte und bin froh darüber, dass mich Arndt eingeladen hat. Zwar kann ich mich nach wie vor nicht für all das detailreiche Wissen über Militärgeschichte begeistern, aber es hat großen Spaß gemacht, zu sehen, wie andere das können und darin gemeinschaftlich aufgehen, über verschiedene Uniformen fachsimpeln oder anhand der Munition erkennen, aus welchem Land diese stammt. Noch dazu hat mir der Besuch gezeigt, dass es Arndt und den anderen nicht um Kriegsverherrlichung geht, sondern darum an diesen Teil der Geschichte zu erinnern und damit respektvoll und bedacht, gerade auch in Anbetracht von aktuellen Kriegen wie in der Ukraine, umzugehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert