Literarischer Spaziergang um Bornich

Durch das erste Kennlerntreffen vor der Loreley-Touristik habe ich Nadja Rebner kennen gelernt. Ihrer Einladung sie einmal in Bornich zu besuchen, bin ich gern gefolgt. So wanderten wir eine Runde um Bornich, den Rheinsteig entlang und ich wurde einmal mehr in den Bann der herrlichen Natur des Oberen Mittelrheintals gezogen. 

Der Fotograf des Fotos ist ein Wanderer, der mich erkennt, da wir bereits auf Instagram geschrieben haben – eine Geschichte für sich.

Mein Auge sieht nur Sonnen an mächtigen Stängeln. Manche blicken mich an, andere drehen sich weg, recken sich dem Licht des sonnigen Sterns entgegen. Ihre Blütenblätter sind in diesem warmen Gelb gefärbt, kein Helles, was für mich eine gewisse Kühle ausstrahlt. Nein, dieses Gelb lädt ein zum Verweilen, zum genauen Beobachten, Hinhören. Was sich die Sonnenblumen wohl zu erzählen haben? Gern würde ich mich mitten hinein stellen, dastehen wie sie und ihnen lauschen. 

Aber ich bin nicht allein. Konzentriere mich auf das Gespräch mit meiner Begleiterin.

Schon des Öfteren habe ich darüber nachgedacht, wie unterschiedlich für mich das Wandern oder Spazieren allein und in Gesellschaft ist. Wenn ich wandern gehe, werde ich oft gefragt, mit wem. Wenn ich daraufhin erzähle, dass ich allein gehe, werde ich nicht selten ungläubig, gar mittleidig oder ängstig angeschaut. Dabei liebe ich es, mir allein in der Natur zu begegnen. Dem Zwitschern, Knacken, Rauschen zu lauschen und meinen Gedanken, die sich nach und nach lichten und von der frischen Luft hinweggeweht werden. Ich kann stehen bleiben, wann ich will, mich auf eine Wiese oder Bank fallen lassen, schreiben, zeichnen oder lesen und tief Luft holen. 

Ein Spaziergang mit anderen ist für mich eine völlig andere Sache. Es tut gut, die Blicke und Bilder zu teilen, sich gegenseitig auf Tiere und Pflanzen aufmerksam zu machen oder munter zu erzählen und sich auszutauschen. Auch kann es ein Ansporn sein, sich dem Tempo der anderen anzupassen, weniger Pausen zu machen und in Bewegung zu bleiben. Und besonders schön ist es, Wege zu gehen, die ich allein gar nicht kennen gelernt hätte. 

Wir überqueren ein Bächlein und ich hole mir eine Prise Luft. Schaue hinauf in die Bäume, springe von Stein zu Stein, ehe es den Hauptweg hinauf geht und sich der erste Ausblick auf den Rhein und die Weinberge auftut. 

Auf den Rhein zu schauen, ist immer noch wie eine faszinierende Ausstellung an sich. Ob es für diesen Blick auch einen Alltag gibt, frage ich mich? Meine Begleiterin kann sich auch nach Jahren nicht satt sehen. Läuft fast jeden Tag einen dieser Wege und ich merke die Sehnsucht in mir, mich mehr und mehr hinaus aus der Umwelt der Großstadt zu bewegen, wo du erstmal mit U-Bahn oder Straßenbahn fahren musst, um weite Natur zu erreichen. Es hat so etwas Befreiendes mit einem Bein in der Natur zu leben, Gemeinschaft zu spüren und Eier, Kartoffeln oder Honig von der Nachbarin zu kaufen. Andersherum braucht es aber oft einigen Aufwand sich zu kulturellen oder sportlichen Ereignissen hinzubewegen, medizinische Versorgung zu erhalten oder einen 24 Stunden Kiosk zu finden. 

Ich beobachte die Frachter auf dem Rhein, wie sie langsam tuckernd dahin gleiten. Die Passagierschiffe sind meistens lauter. Ob Ansagen oder Partymucke. Da fällt mir das Spinning-Schiff ein, auf dem sich bis zu 200 Menschen mehrere Stunden abstrampeln und beschallt von Musik und Moderation auf der Stelle Fahrrad fahren. Verrückt, auf was für Ideen Menschen so kommen. Aber warum auch nicht. 

Auch bei uns wird es sportlich, wir steigen immer höher, steil geht es den weichen Waldweg bergauf. Die zwei menschlichen Silhouetten weit oben kommen näher und die Felsen auch. Die Anstrengung einen Berg zu erklimmen, lohnt sich jedes Mal. Und jedes Mal gibt es diese Stimme, die lieber stehen bleiben möchte, es bequem haben möchte oder Angst vor einem Asthmaanfall hat. Dabei durchdringt die Anstrengung den Körper und die Gedanken bleiben im Moment. 

Der Blick in die Weite ist Belohnung allein. Die Wälder der Hänge sind grün, auch wenn sich mehr und mehr abgestorbenes Holz darunter mischt. Die trockenen Sommer der letzten Jahre sind auch hier am Rhein deutlich spürbar. Da ändert auch der Regen der letzten Wochen nichts daran. In der Ferne sehe ich den Kirchturm von Dörscheid. Als wir oben zwischen den Wiesen spazieren, erblicke ich den ganzen Ort im Lichte der Abendsonne.

Das lange strohfarbene Gras leuchtet. Darunter mischen sich Disteln und ein paar bunte Blumentupfer. Gleich darauf erblicke ich wieder saftiges Gras und Walnussbäume. Wie viele es hier in der Gegend davon gibt. Die ersten Häuser von Bornich liegen vor uns und die Natur verzieht sich in die Gärten, wo sie gezähmt und voller Blütenpracht zum Bewundern einlädt.

Wir schlendern die Straßen entlang, kommen ins Neubaugebiet, das schon längst nicht mehr neu ist. Ich betrachte einen vollbehangenen Esskastanienbaum. Die stachelige Hülle erstrahlt in einem saftigen Grün. Um die Ecke stehen Oldtimern vor einem Haus. Daneben sehe ich ein Regal mit Honig, Eiern, Marmelade und Kartoffeln, sogar ein Kühlschrank, in dem sich Wein befindet, ist dort. Daran kann ich nicht einfach so vorbei gehen. Bepackt laufen wir zu unserem Ausgangspunkt zurück. Das warme Gelb der Sonnenblumen leuchtet in der Ferne. 

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