Besuch auf der steinreichen Nachbarburg

Es ist herrliches Spätsommerwetter und ich treffe – eine Burg weiter – Katrin Gerwinat, die Geschäftsführerin der Burg Reichenstein. Bisher kenne ich die Nachbarburg in Trechtinghausen nur vom Vorbeifahren. Auch Katrin und ihren Mann Till bin ich bisher nur digital bei Berichten meiner Vorgänger*innen und bei Instagram begegnet, wo sie seit ein paar Wochen auch kurze, hochwertige Videos über ihr Team unter dem Titel „Reichenstein Story“ veröffentlichen.

Die Burg wirkt trotz ihrer gut tausendjährigen Geschichte nicht nur online frisch, staublos und nahezu perfekt. Auch beim Betreten des alten Gemäuers trifft Historie auf moderne Nutzung, denn Burg Reichenstein beherbergt nicht nur ein Museum, sondern auch Restaurant, Hotel und Eventlocation.

Katrin führt noch ein Gespräch am Telefon, ehe sie mir lächelnd im Burgshop mit ausgestreckter Hand entgegen kommt. Sie zeigt mir die Burg, macht mich auf Stellen im Gemäuer aufmerksam, wo mittelalterliche auf restaurierte Bauweise trifft und erzählt mir viel über die Familie Kirsch-Puricelli, welche als eine der wohlhabendsten Industriefamilien 1898 die Burg erwarb und bis 1906 im romantisch, neugotischen Stil renovieren und ausbauen ließ. Einen Tennisplatz hat es beispielsweise damals gegeben und eine Kegelbahn – diese ist immer noch da. Wir staunen beiden, wie die enormen Restaurierungsarbeiten innerhalb von acht Jahren fertig gestellt werden konnten. Gespannt lausche ich Katrins Worten, begutachte Bilder und Geweihsammlung im Museum und setze mich anschließend mit Katrin ins Restaurant Puricelli.

Katrin Gerwinat, Geschäftsführerin Burg Reichenstein

Auf dem Sofa bei erfrischender Rhabarbersaftschorle fällt der geschäftliche Teil von uns mehr und mehr ab und wir kommen munter ins Gespräch. Die Mutter, Hotelbetriebswirtin und Geschäftsfrau erzählt mir vom mystischen Morgenbachtal um die Ecke, durch das sie so gern spaziert. Seit 2015 lebt sie mit ihrem Mann im Tal, unweit der Burg Reichenstein, dem „riesigen Steinhaufen“, wie sie die Burg auch mal liebevoll nennt. Gerade durch ihr Kind sei sie so richtig am Rhein angekommen. Katrin berichtet mir auch über bevorstehende Projekte, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Till nach den Visionen von Burgbesitzer, Kirsch-Puricelli-Nachfahre und Geschäftsführer der LensingMedia Lambert Lensing-Wolff entwickeln. Da ist z.B. der ehemalige Rosenhof, der zu einer Weinstube als Treffpunkt für Einheimische und Tourist*innen umgebaut wird. Früher habe es mal 11 Restaurants und Weinstuben in Trechtingshausen gegeben, wurde Katrin erzählt. Nun fehle es im Tal immer mehr an einer gesellschaftlichen und gastronomischen Infrastruktur. Auch über die Idee eines Rheintickets kommen wir ins Gespräch. Katrin wirkt authentisch, sprüht nur so voll Tatendrang und hat Einiges zu erzählen, aber hört selbst:

Katrin Gerwinat im Gespräch

Euphorisiert und hoffnungsvoll gestimmt, beenden wir unser Gespräch. Katrin muss los und ihren Sohn von der Kita abholen. Sie nimmt sich aber trotzdem noch die Zeit, um mich mit einer Essenseinladung, Audio-Guide und herzlichen Worten zu verabschieden. So schlendere ich nach einem leckeren Salat mit Ziegenkäse nochmal in Ruhe durch die Burg, den Garten und erkunde das Museum bis in die oberste Etage. Die Familie Kirsch-Puricelli, damals im Besitz der Rheinböller Eisenhütte, scheint allgegenwärtig. Nicht nur architektonisch: Mal sitzen sie unter der Ahnengalerie als Pappfiguren am Tisch, mal sind sie auf Fotografien zu sehen. Bis 1936 lebte die Familie hier. 1938 öffnete Paul, der Sohn von Olga und Nikolaus Kirsch-Puricelli, die Burg für die Öffentlichkeit als Museum, nach nicht mal einem Jahr wurde es wegen Kriegsbeginn bereits wieder geschlossen. Die Kunstschätze wurden in einen bombensicheren Raum innerhalb des Tonnengewölbes gebracht. Viel hat die Burg seitdem gesehen. Seit einigen Jahren bewohnen nun wieder die Nachfahren der Kirsch-Puricellis einen kleinen Teil der mächtigen Burg.

Ich laufe so langsam wieder zum Ausgang des Museums. Die vielen Eindrücke und Gedanken schwirren in meinem Kopf umher und der Audio-Guide hat gute Arbeit geleistet. Vor der Rezeption tummeln sich ankommende Gäste, Autos werden entladen und die Sonne scheint aufs Gemäuer. Es gäbe noch so einige spannende Geschichten zu erzählen über die Burg Reichenstein und ihre Bewohner*innen, aber für heute habe ich genug Geschichte erfahren dürfen. Wenig später wate im kühlen Rhein umher.

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