Burgleben – ehemalige Burggeister erzählen

Vor über vier Monaten bin ich aus “meiner Burg” ausgezogen. Seitdem hält sie Winterschlaf. Nicht ganz, denn Familie Hecher, die Pächter sehen nach ihr und da ist ja noch Klaus Collerius von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, der unter anderem auf Burg Sooneck arbeitet und fast 20 Jahre ihr Verwalter war. Oft habe ich sein Moped vor der Burg gesehen. Mit diesem düst er von Niederheimbach hinauf zur Sooneck.

Klaus Collerius

Klaus kennt jeden Stein der Burg, kennt all ihre Bewohner*innen wie Wildbienen, Fledermäuse, Siebenschläfer, Falken und Schlingnattern und Klaus kennt auch die Geschichte der Sooneck in und auswendig. Bevor er mich Ende Juni durch die Hauptburg führt, erzählt er munter drauf los, wer hier schon alles gelebt und sich die Burg zu Eigen gemacht hat.

Wie es der Zufall so will, lerne ich in meinen letzten Wochen als Buga-Bloggerin zwei dieser Menschen kennen, die auf Burg Sooneck aufgewachsen sind. Beim Buga-Dialog in Bacharach war ich im Publikum auf der Suche nach Stimmen zum Siegerentwurf. So lerne ich Tim Klehr kennen, der mir nebenbei erzählt, in den 80er/90er Jahren auf Burg Sooneck gelebt zu haben. Wir tauschen Telefonnummern aus und treffen uns ein paar Wochen später in Bacharach wieder.

Tim kriegt in seinem Zimmer im Südturm die Haare geschnitten (© Tim Klehr)

Tim ist die ersten Jahre bei Mainz aufgewachsen und vor seiner Haustür gab es viele Kinder zum Spielen, erinnert er sich. Mit fünf ging es für ihn dann aber auf die Burg, wo die Familie wie ich im Südturm wohnte und das Restaurant betrieb. Das Leben auf der Sooneck hat er in keiner guten Erinnerung. Trotz seiner Geschwister fühlte Tim sich vom Rest der Welt abgeschnitten und wurde auch mit den Niederheimbacher*innen nicht richtig warm. Den weiten Weg zur Schule teilweise im Dunkeln durch den Wald bei jedem Wetter empfand er auch eher als Tortur. “Damals gab es das Neubaugebiet noch nicht und es dauerte noch länger bis zu den ersten Häusern”, ergänzt er. Tim würde Klaus Beschreibung über die Ungemütlichkeit im Winter auf der Burg sicher zustimmen. Wobei er mir von Kachelöfen in einem der Wohnräumen erzählt, die mittlerweile nicht mehr existieren. Übrigens wohnte die Familie nicht nur in meinen beiden Zimmern, sondern auch in den Räumen eine Etage weiter unten. Immerhin hatte der große Kellerraum vor der Burg, wo heute Müll und Flaschen gelagert sind, etwas Gutes für den musikbegeisterten Tim: Dort probte er als Jugendlicher mit seiner Band.

Während Tim heilfroh war, als er die Sooneck verlassen konnte, sehnt sich eine andere ehemalige Bewohnerin zurück.

Bei einem Plausch mit Steffi, die auf Burg Sooneck arbeitet und einer Freundin aus Oberheimbach, erfahre ich von Roswitha Werner, die vor langer Zeit auf der Sooneck gelebt haben soll. Sie wohne nicht weit entfernt in Niederheimbach, wird mir erzählt und so frage ich nach, ob ich ihre Telefonnummer bekommen kann. Einige Wochen später besuche ich sie in ihrem Häuschen. Am Adventskranz brennen bereits zwei Lichter, es gibt leckeren Tee und eine Menge toller Plätzchen, fast alle selbst gebacken.

Roswitha Werner

Frau Werner hat gut 20 Jahre auf Burg Sooneck gelebt. Aber bevor sie von dieser Zeit erzählt, zeigt sie mir einen selbst gebastelten Burg-Gutschein ihrer Kinder. Sie hat ihn 2019 zu ihrem 80. Geburtstag erhalten. Ihre Kinder hatten u.a. mit der damaligen Burgenbloggerin Mareike Knevels arrangiert, dass sie eine Nacht mit ihrem Ehemann im Südturm auf Burg Sooneck übernachten dürfe. Jahrzehnte war Frau Wagner nicht auf der Burg gewesen. Leider starb kurz darauf ihr Mann und so blieb das Vorhaben nur ein Traum. Die Enttäuschung ist ihr immer noch anzumerken. Allein wollte sie den Gutschein nicht einlösen und mittlerweile fühlt sie sich nicht mehr fit genug für einen Besuch.

Sooneck an der Wand

Roswitha Werner ist 1939 auf Burg Sooneck als das erste von fünf Kindern ihrer Eltern geboren. 1938 war das Paar in den Südturm gezogen. Ihr Vater arbeitete als Gärtner und betrieb mit Werners Mutter die Gaststätte. Die Terrasse war damals bestuhlt und es sei viel zu tun gewesen. Vor allem am Sonntag, wo die Menschen gerade aus Niederheimbach ihren Ausflug zur Sooneck machten. Frau Werner schwärmt von ihrer Burg, dem Rosenparadies. „Es gibt keine Ecke, wo ich nicht hin gegangen bin.“ Sie zeigt mir alte Fotos aus einem Fotoalbum. Auf den Bildern ist aber nicht nur Burg Sooneck zu sehen, während des Zweiten Weltkriegs war die Familie ins Eichsfeld geflohen. Als sie zurück kehrten, lebten „ausgebrannte“ Leute aus Koblenz in ihren Wohnräumen. Ihr Vater kam 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Frau Werner lebte daraufhin mit ihren Eltern im Kassenhäuschen, ihre Geschwister blieben erstmal bei der Großmutter im Eichsfeld. Nach einiger Zeit fanden die Koblenzer eine Unterkunft in Bacharach und so zog die Familie zurück in den Südturm. „Die Wohnung sah schlimm aus.“ In einem Zimmer waren Kaninchenställe gewesen, erinnert sie sich.

Aufgrund des Platzmangels schliefen sie zu zweit im Bett. Frau Werner redet noch heute mit ihren Freundinnen von der Zeit auf Burg Sooneck. Trotz des Krieges seien das unvergessliche Zeiten für sie. „Das sind Erinnerungen, die kann ich nicht vergessen.“ In der Woche lief sie jeden Tag von der Schule in Niederheimbach hoch zur Burg, sie erinnert sich auch gern an das Burggelände zum Spielen und das Gefühl nie allein zu sein. Damals gab es noch drei Burgverwalter, die in der Hauptburg lebten, erzählt sie mir.

1960 wurde ihr Vater auf das Schloss Stolzenfels versetzt und die Familie verließ Burg Sooneck. Roswitha Werner begann kurz darauf in einem Büro in Bacharach zu arbeiten und pendelte jeden Tag. Sie wollte ihre Mutter mit den vier jüngeren Geschwistern nicht allein lassen. Allerdings verstarb kurz darauf ihre Mutter und ihr Vater verteilte die jüngeren Geschwister bei Verwandten. Frau Werner studierte schließlich Hauswirtschaft, arbeitete unter anderem im Bistum Limburg als Küchenleiterin und lernte ihren späteren Mann bei der Fastnacht in Niederheimbach kennen. Durch ihn kehrte sie zurück nach Niederheimbach, wo sie bis heute lebt. Sie liebt die Gegend samt Rhein, Wein und Schiffen nach wie vor und hat eine Buga-Fahne vor ihrem Haus gehisst. Ich verabschiede mich von ihr und freue mich so kurz vor Ende meiner Zeit als Buga-Bloggerin noch mit Tim und Roswitha über ihre Erfahrung auf der Sooneck gesprochen zu haben.

Tim Klehr heute

2 Kommentare

  1. schön beschrieben. Danke.
    Jetzt erkenne ich die Burg wieder, sonst habe ich vom Auto aus auf dem Weg nach Boppard nur immer den Steinbruch im Berg gesehen. Jetzt weiß ich endlich, nachdem ich den ganzen Sommer Deinen blog verfolgt habe, welche Burg eigentlich die Sooneck ist.

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