Tresterbrand: Die Essenz des Weins

Tresterbrand

Spezialitäten vom Mittelrhein – Teil 1: Der Tresterbrand

Ich würde behaupten, jeder, der das hier liest, hat schon einmal von Grappa gehört. Eine italienische Spirituose, wird in guten Restaurants gerne als Digestif angeboten und findet sich in diversen Schnapspralinen-Varianten. Tresterbrand hingegen? Namentlich eher weniger bekannt, dabei ist es genau dasselbe – klingt nur nicht so temperamentvoll.

Zeit also, dieser durchaus edlen Spirituose eine Bühne zu geben.

Was ist Trester?

Als Trester bezeichnet man die Überreste eines Fruchtpressvorgangs, in diesem Falle handelt es sich um die ausgepressten, vergorenen Trauben, die nach der Weinherstellung übrigbleiben.

Woher kommt der Tresterbrand?

Im 11. Jahrhundert soll in Italien erstmals Wein destilliert worden sein. Das Destillationsverfahren haben sich Gelehrte wohl auf den Kreuzzügen im persischen Raum abgeguckt, wo es für medizinische Zwecke genutzt wurde.

1451 wird „Grappa“ erstmals im Zusammenhang mit dem Nachlass eines piemontesischen Notars erwähnt, der seinen Nachfahren eine Destillationsanlage mitsamt größeren Mengen hauseigener Destillate hinterließ.

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts die Destillation mit indirekter Befeuerung erfunden wurde, kann man reinere, weichere Tresterbrände produzieren.

Auch am Mittelrhein gibt es Tresterbrände, zum Beispiel bei Peter Bahles in Kaub. Am Weingut Bahles kommt man hier buchstäblich nicht vorbei – zumindest, wenn man per Zug anreist.
Nicht nur befindet sich das alte Bahnhofsgebäude im Familienbesitz, auch lockt direkt gegenüber des Bahnhofausgangs eine weinbewachsene Loggia unter einem großen Schild mit der Aufschrift „Weingut Bahles – Weinhaus Zur Pfalz“ durstige Besucher*innen an.

Das Wirtshaus existiert seit 1876, ab 1912 wird es von Johann Peter Bahles, dem Urgroßvater des heutigen Inhabers Peter Bahles Junior, betrieben. Sein Vater, Peter Bahles Senior, packt auch noch tatkräftig mit an. Zu tun ist genug – neben dem Anbau von sieben Rebsorten auf 3,5 ha Rebfläche eben auch mit dem Brennen hauseigener Tresterbrände.

Der Geist des Weines

Heute, an einem heißen Junitag, entlocken Peter Bahles Junior und Peter Bahles Senior gerade dem Trester ihres Spätburgunders seine Essenz. Mithilfe einer Arnold Holstein-Destillieranlage werden Trauben und Wasser in einem gigantischen Wasserbad erhitzt. Der enthaltene Alkohol – der einen geringeren Siedepunkt hat als Wasser – verdampft und steigt in eine Art Türmchen auf, wo er sich in verschiedenen Glocken, genannt „Kolonnen“, sammelt und auf Auffang-Pfannen abtropft. Dort wird er ein zweites Mal erhitzt.

Durch die zweifache Destillation entsteht ein reineres Endprodukt. Im Kühler verflüssigt sich schließlich der übriggebliebene Alkoholdampf. Von 100 Litern Trester bleiben am Ende rund drei Liter reines Destillat übrig, das schließlich auf rund 40 Prozent Trinkstärke heruntergewässert wird.

Trester ist der Whisky für die Eingeborenen.

Peter Bahles Jr.

„Wir sind eine sogenannte Abfindungsbrennerei. Das heißt: Alles bis 3 Liter Destillat pro 100 Liter Trester müssen wir versteuern, wenn mehr herauskommt, ist das steuerfrei. Das Prinzip der Abfindungsbrennereien ist in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts eingeführt worden, um die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe zu fördern und dahin zu unterstützen, ihre Reste weiterzuverarbeiten. Im Schwarzwald sind so die kleinen Obstbrennereien entstanden, hier gibt es einige kleine Tresterbrennereien.“ Auf dem Markt spielt Tresterbrand eine ziemlich kleine Rolle. Was Bahles brennt, bleibt weitestgehend in der Region. „Trester ist der Whisky für die Eingeborenen“, sagt er lachend.

Whisky – das klingt vielversprechend. Den mag ich nämlich. Sechs Sorten Tresterbrände stellt Bahles her – und die darf ich jetzt probieren. Darauf bin ich besonders gespannt, weil ich mit Grappa bisher nie viel anfangen konnte. Meine Hoffnung, die mittelrheinischen Tresterbrände könnten mich mit der eigenwilligen Spirituose versöhnen, werden erfüllt. Allesamt sind sie sehr mild und weniger „kratzig“ als ich es vom Grappa gewohnt war. Gemein ist allen Bränden ihre unverkennbare Rosinennote. Den Spätburgunderbrand lässt Bahles im Eichen-Weinfass reifen. Das gibt ihm einen noch volleren Charakter und eine angenehm karamellige Süße.

Wer sich aufmerksam hineinschmeckt, erkennt deutlich die unterschiedlichen Charaktere der verschiedenen Rebsorten aus den Bränden. Mit seiner fruchtig-parfümigen Note hat es mir der Muskateller-Brand angetan, aber auch der eben erwähnte Spätburgunder-Brand macht mir Freude.

Charakterköpfe sind sie allemal, die Tresterbrände, das muss man schon sagen. So einfach wie ein Likörchen oder ein Rum machen sie es dem*der Verkostenden nicht.

„Viele versetzen ihre Destillate noch mit Zucker, zum Beispiel eine bekannte Obstbrandmarke aus Österreich“, sagt Bahles. „Deswegen sind die auch so beliebt. Wir möchten ohne zugesetzten Zucker auskommen und das Destillat wirken lassen, wie es ist.“ Und ich finde, das ist gut so.

Wann und wie Tresterbrand genießen?

Wenn Du gerne Brände trinkst, wird Dir die Bekanntschaft mit dem Tresterbrand leicht fallen. Likör-Fans müssen sich vielleicht etwas umgewöhnen. Aber ich lege Dir ans Herz, nach einem guten Essen in einem der herrlichen Restaurants hier mal einen lokalen Tresterbrand zu ordern und ihn ganz in Ruhe zu genießen. Oder zum Abschluss eines ausgedehnten Kaffeekränzchens.

Ich für meinen Teil habe Ambitionen, mir einen Longdrink mit Tresterbrand auszudenken. Mal sehen, was das gibt…

Tresterbrand

INFO:
Danke an Peter Bahles für die Gastfreundschaft, den Blick hinter die Kulissen der Destillation und den schmackhaften Eindruck des „deutschen Grappas“!

Über Weingut Bahles
1912 von Ur-großvater Johann Peter Bahles gekauft, befinden sich Weinhaus und Weinberge in Kaub heute in dritter Generation im Familienbesitz. Peter Bahles baut hier auf ca. 3,5 ha Riesling, Spätburgunder, Müller-Thurgau, Ruländer, Sauvignon Blanc, Gewürztraminer und Weißburgunder an. Wichtig sind dem Winzer neben einer modernen und umweltschonenden Bewirtschaftung auch die Zusammenarbeit mit seinen Kolleg*innen und modernes Standortmarketing für den Mittelrhein. Mit der Mittelrhein Riesling Charta möchten Bahles und 19 andere Winzer*innen die Weinregion nach außen zugänglicher machen. Dafür haben sie drei Profilweine entwickelt, die stellvertretend für die Geschmacksprofile des Mittelrhein-Weins stehen.

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