Die Loreley: Basiswissen und Fun Facts

Loreley

Fels, Frau, Fluss – Viele Worte um ein Phänomen

Die Loreley ist ein 193,14 Meter hoher Felsen (ü. NN), den der Rhein bei Bornich/St. Goarshausen umfließt. Der Fluss wird in diesem Bereich signifikant schmaler, schrumpft ab Oberwesel von ca. 300 auf 145 Meter. Gleichzeitig befindet sich direkt am Loreleyfelsen mit über 20 Metern einer der tiefsten Rheinabschnitte. Hier ist eine der bekanntesten deutschen Märchenfiguren angesiedelt, die in so unterschiedlichen Formen auftritt, dass es beinahe absurd erscheint, sie als ein und dieselbe Figur zu bezeichnen.

Ein Fels mit vielen Namen

Schon der Felsen, der der Figur Loreley ihren Namen gibt, ist ein Mysterium. Die Wortendung „-ley“ wird gemeinhin als „Fels“ oder „Stein“ übersetzt.

Je nach Auslegung kann der Wortstamm „lore“ allerdings völlig unterschiedliche Bedeutungen haben. Allein im Mittelhochdeutschen sind drei mögliche Begriffe zu finden: „lorren“/„lurren“ = „heulen“ oder „schreien“, „luren“= lauern und „lur“ = „Elfe“. Manch einer sieht im keltischen „LOR“ = „Mond“ den Ursprung des Namens Loreley. Auch der rheinische Begriff „luren“ = „summen“ oder „gucken“ wurde als Herkunftsbegriff diskutiert.

Zwergenversteck und Nibelungenhort

Die Loreley als schreiender oder summender, als Mond- oder Ausguckfelsen, als Elfen- und Heulfelsen. Kein Wunder, dass sich um das Gestein selbst, ebenso wie um die dazuerfundene Märchenfigur so viele unterschiedliche Geschichten ranken:

Bevor die Figur Loreley kam, galt der gleichnamige Fels als Versteck von Zwergen, die – wohnhaft in Höhlen – für das mystische (angeblich siebenfache) Echo verantwortlich gemacht wurden, das es hier gegeben haben soll. Zwerge wurden als Behüter von Geheimnissen angesehen. So lag es nahe, den Nibelungenhort hier zu verorten.

Strom des Verderbens

Neben dem magischen Berg war es vor allem der Rhein, dessen Strömungen bei St. Goar/St. Goarshausen regelmäßig Schiffsunglücke verursachten, der buchstäblich in die Charakterisierung der Loreley einfließt: Aus der Herzensgebrochenen wird eine Herzensbrecherin mit bisweilen sadistischen Zügen.

Wer hat’s erfunden?

Heutzutage ist man sich einig, dass die Figur Loreley eine Erfindung Clemens Brentanos ist. Das war allerdings nicht immer so. Eine Zeitlang wurde Brentano die Urheberschaft an der Geschichte um die schöne junge Frau, die magisch auf Männer wirkt, abgesprochen. Während manche ihm „nur“ nicht die nötige Kreativität für eine solch besondere Geschichte zutrauten, gingen andere so weit, sich eigene, vermeintlich ältere Loreleyvarianten auszudenken, von denen Brentano sich angeblich inspirieren ließ.

Adolf Seyberth, ein Wiesbadener Pädagoge und Gymnasiallehrer schreibt 1863 in seinem Text „Loreley“: „Ich glaube, die ganze romantische Schule hätte, ohne den Stoff vom Volke, eine Ballade von solcher Schönheit weder gemacht noch machen können.“ Und Hermann Bender behauptet 1896, die Aufzeichnung einer Fischersage aus dem 14. Jahrhundert in der Bibliothek seines Onkels in Koblenz gefunden zu haben, in der auch das „Lied von der schönen Lore“ zu finden sei. Beweisen konnte und wollte er diesen Fund aber nie.

Eine Figur mit vielen Gesichtern

Mal ist die Loreley mehr mit dem Fels, mal mehr mit dem Fluss assoziiert, deren Eigenschaften sich in ihrer Person manifestieren – sie ist mal mehr, mal weniger bösartig, mal mehr, mal weniger mächtig. Mal singt sie, mal ruft sie, mal schweigt sie. Mal schwimmt sie im Rhein, mal steht sie auf der Klippe. Hier vollumfänglich alle Loreley-Varianten aufzuzählen, ist nicht möglich. Beispielhaft seien folgende Erzählungen genannt:

Die Loreley begegnet uns in ihrer Urform (Lore Lay) als schöne junge Frau, die eine magische Ausstrahlung auf Männer hat. Allerdings ist sie selbst an niemandem als ihrem Eberhard interessiert, der sie verlässt, was Lore Lay den Lebenswillen raubt. Auf dem Weg ins Kloster stürzt sie sich in den Rhein (Clemens Brentano).

Es gibt auch Lureley als Wasserzauberin und Hüterin des Niebelungenhorts (Brentano) und Loreley, die singende Augenweide, die entrückt auf dem Felsen sitzt und mit Gesang und Schönheit die Schiffer so sehr verzückt (Graf von Loeben), dass diese mitunter Schiffbruch erleiden (Friedrich von Sallet).

Mal spielt sie auch ahnungslosen Wanderern das Ertrinkungsopfer vor, um sie in die Tiefen des Rheines ziehen zu können, sobald sie ihr zu Hilfe eilen (Friedrich Förster).

Sie wird beschrieben als magisches Wesen, dem sich verzweifelte Liebende anvertrauen (James Robinson Planché) und als mächtige Undine, die mühelos schöne Jünglinge ins Wasser locken kann (Aloys Wilhelm Schreiber, Karl Geib). Sogar dem Teufel begegnet die Loreley überlegen. Dessen Körperabdruck brennt sich bei der Begegnung mit ihr in den Felsen ein (Karl Simrock).

Auffällig: Nur ein sehr geringer Teil aller Loreleytexte stammt aus der Feder einer Frau.

Viel zitiert

Nicht nur zitiert jeder neue Loreleytext frühere Varianten und Sagenmotive, auch andere Kunstrichtungen haben sich der Loreley bedient.
Zum Beispiel die Musik. Es gibt einen Loreley-Schlager

…und einen fetzigen 80s-Hit:

Auch im Film begegnet uns Loreley: Keine geringere als Marilyn Monroe spielt in „Blondinen bevorzugt“ die Verführerin Lorelei Lee – die einen Faible für alles hat, was glitzert:

Für Hartgesottene gibt es sogar einen spanischen Gore-Horrorfilm namens „Las garras de Lorelei“ (Die Klauen der Loreley, 1973).

TRIGGERWARNUNG: Schon der Trailer ist ziemlich blutig. Das möchte sicher nicht jede*r gerne sehen.

Auch ein hervorragendes Beispiel für die Grenzenlosigkeit der Abstraktion vom Originalstoff und die mannigfaltigen Möglichkeiten popkultureller Crossovers: Hier verwandelt sich die schöne Lorelei bei Vollmond in ein Herzen fressendes Echsen-Ungeheuer, das die ebenfalls auffallend normschönen Schülerinnen eines Internats überfällt. Ein Forscher namens van Lander und ein Jäger namens Sigurd wollen die Kreatur mithilfe eines radioaktiven Dolchs zur Strecke bringen. Viel Haut, viele weiße Nachthemden, viel Blut – der „Male Gaze“ lässt grüßen.


QUELLEN (u.a.):
Hawks, Howard: Blondinen bevorzugt, 1953 (USA)
de Ossorio, Amando: Las Garras de Lorelei, 1973 (Spanien)
Clemens Bentano: Godwi oder das steinerne Bild der Mutter
Minaty, Wolfgang: Die Loreley, insel taschenbuch, 1988
Lentwojt, Peter: Die Loreley in ihrer Landschaft, P. Lang, 1998
Beck, Silvia; Melzer, Dirk: Loreley – Zeichen und Legenden, 1998
Kramp, Mario; Schmandt, Matthias: Die Loreley. Ein Fels am Rhein. Ein deutscher Traum, Philipp von Zabern, 2004

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