Wie ich die Niederheimbacher Kerb kennenlernte

Kerb, Kerm, Kilbi, Kerwa, Kirb, Kirmes, Kirchweihfest. Ich muss gestehen, anfangs wusste ich nicht, was das Wort Kerb bedeutet. Aber eins war mir klar, es wird gefeiert! Bereits im Juni erzählte mir Klaus Collerius, der die Burg Sooneck lange für die GDKE verwaltete und auch hier auf der Burg sein Büro hat, von der Kerb in Niederheimbach. Bis jetzt waren alle Burgenblogger*innen da, erzählte er mir. So stand das Kerbwochenende schon lange in meinem Kalender. Tatsächlich ist die Niederheimbacher Wein- und Bratworscht-Kerb aber nicht nur ein Wochenende: von Freitag bis Dienstag finden neben den Ständegeschehen viele Programmpunkte statt – Aufstellen des Kerbebaums, Fassanstich, Kerbebaumtaufe, Konzerte und der traditionelle Umzug am Montag.

Kerbebaum Eike

Am Samstag werde ich über Instagram auch noch einmal herzlich von Dorothee Saueressig eingeladen. Diese lerne ich wenig später auf der Kerb vor dem Orchestergraben kennen. Durch Zufall laufen wir uns gleich in die Arme und sie erzählt mir mehr über die Traditionen der Kerb. Aus ihrem Gästehaus zur Heimburg ist eine Fahne gehisst. Jeder Kerbjahrgang hat eine andere handbemalte Fahne, erklärt sie mir. Uns läuft auch Nicola vom Kerbjahrgang über den Weg. Der Kerbjahrgang – die 18- und 19-Jährigen aus Niederheimbach – organisiert die Kerb und hat mächtig viel zu tun. Dazu gehört es auch, den Kerbebaum am Donnerstag aus dem Niederheimbacher Wald zu holen und die Nacht über zu bewachen. Denn es gibt den Brauch, dass die Jugend der umliegenden Dörfer sonst versucht, den Baum zu kürzen. „Deshalb sehen manche des Kerbjahrgangs recht müde aus.“ erzählt Dorothee, die ich Doro nennen darf, lachend. Doro spricht begeistert über die Kerb. Das Fest vereint die Menschen hier im Ort und die meisten nehmen sich sogar extra Urlaub für die Kerb. Es reisen auch viele Niederheimbacher*innen an, die nicht mehr hier leben. „Sie kommen jedes Jahr zurück.“, freut sich Doro. Sie schenkt mir sogar einen Kerb-Button, den ich mir sogleich anhefte. 

Dorothee Saueressig

Überall sitzen und stehen die Menschen beisammen, es wird viel geredet und gelacht. So eine warme Stimmung, die auch neu Zugezogene wie eine muslimische Familie anlockt und auch ein Reisebus voller Bayern mischt die Kerb am Abend auf. Es gibt einen Schießstand mit Preisen und ein Karussell mit Achterbahnfeeling, was die Kinder und Jugendlichen bestimmt 5 Meter in die Höhe bringt. Für das kulinarische Wohl sorgen Wein- und Bierstände, im Orchestergraben gibt es Spundekäs und Flammkuchen vom Musikverein und die Niederheimbacher Feuerwehr hat auch einen Wurst und Pommes Stand. An diesem treffe ich Violeta wieder, die ich bei meiner Wein-Wildkräuter-Eselwanderung in Bacharach-Steeg kennengelernt hatte. Gemeinsam mit ihrem Mann Harald arbeitet sie im Wagen und während ich Pommes esse, unterhalten wir uns nett. Ich hole mir noch eine Gummischlange, trinke selbstgemachte Limonade und laufe noch ein wenig umher, ehe ich mich nach Koblenz zu Rhein in Flammen aufmache. 

Aber natürlich soll es das nicht gewesen sein mit meiner Kerberfahrung. Pünktlich um 10 Uhr am Montagmorgen stehe ich bei der Niederheimbacher Fähre so wie die etwa 150 bis 200 anderen Umzugsteilnehmer*innen (schätzen ist nicht so mein Ding). Herzlich werde ich von Violeta und ihren „Mädels“ Monique, Theresa, Barbara, Aline und Violetta begrüßt und ein wenig über den Ablauf informiert. Viele Einheimische tragen ihre Jahrgangs T-shirts, die alle sehr unterschiedlich gestaltet sind. Da ist z.B. auf dem Rücken zu lesen: „Vollgesoff un Dumm am Lalle, bedeutet eins: Die Kerb erhalle!“

Violeta und ich

Gleich geht es auf die Fähre, die nicht einfach wie sonst übersetzt, sondern sich zur Musik der Blaskapelle im Kreis dreht. Was für ein Anblick: schunkelnde Menschen, Wein wird verteilt und zwischen dem Kerbtreiben unbeteiligte Autos und Menschen, die wohl einfach mit der Fähre nach Lorch fahren wollten. Ich hoffe, sie freuen sich wie ich, ein Stück dieser heiteren Niederheimbacher Tradition mitzuerleben. 

Ich beobachte von oben und lerne so Anette und Frank von der Niederheimbacher Feuerwehr kennen, die sich um die Sicherheit des Umzugs kümmern. Nach der zweimaligen Überquerung des Rheins kommen wir wieder in Niederheimbach an und laufen auf der Hauptstraße entlang. Wir bleiben als erstes beim kleinen Ortsladen stehen, es wird Wein in den sogenannten Stützen verteilt. 20 Liter passen da rein, erzählt mir Klaus später. Alle haben Gläser oder Becher mit, einige auch eigenen Wein, damit sie nicht so viel durcheinander trinken. Dort treffe ich auch Doro wieder, die mir gleich Snacks anbietet. Die erfahrene Umzugsgängerin weiß, wie wichtig bei all dem Wein eine Essensgrundlage ist. Trotz Frühstück, selbstgebackenen Kuchen von Violeta, einigen Snacks von den anderen und meiner Wasserflasche merke ich ihn dann aber doch bald: den Wein am Morgen. 

Anette und Frank von der Feuerwehr Heimbachtal

Teilweise laufen wir auf einer Fahrspur, um den Verkehr nicht ganz lahm zu legen. Die vorbeifahrenden Autofahrer*innen werden mit Gesang und herzlichem Winken begrüßt. Einige schauen ausdruckslos an uns vorbei, andere lachen, grüßen zurück und gerade bei den Touristen ist viel Neugierde zu erkennen. Manche fragen auch durchs offene Fenster hindurch, was hier los sei.

Wir machen noch einen Stopp bei der Kirche und laufen dann zum Weingut Fendel weiter, wo es im Hof wieder Musik und Wein gibt. Die Fahnen werden geschwungen, es wird geschunkelt und alle Altersklassen scheinen bester Laune zu sein. Ich unterhalte mich mit den Niederheimbacher Mädels, erfahre vom Fastnachtsumzug, der mit Oberheimbach zu Karneval groß zusammen gefeiert wird. Aber sonst gebe es nur noch den Weihnachtsmarkt am ersten Adventswochenende, der wiederum mit Lorch zusammen ausgetragen wird. Früher hätte es viel mehr Feste in Niederheimbach gegeben, umso wichtiger ist es allen die Tradition der Kerb zu erhalten. 

Nach einem Stopp beim Papperlapub, der extra für die Kerb wieder geöffnet hat, geht es weiter zum Orchestergraben, wo erneut Pause gemacht wird. Zweieinhalb Stunden sind bereits vergangen. Die Feuerwehr ist nun von ihrem Sicherheitsschutz erlöst, denn die Straße Richtung Oberheimbach ist längst nicht so befahren wie die B9. Ich möchte Klaus begrüßen und nutze die Pause, um ihn am Wurststand der Freiwilligen Feuerwehr zu besuchen. Er trägt eine schicke Pferdeschürze, auf die ich ihn anspreche und erfahre, dass diese schon 40 Jahre alt ist, von seiner Oma stammt und jede Kerb überlebt hat. Der Wein macht müde und so bleibe ich mit Violeta auf einer Bank hängen, esse Pommes, unterhalte mich mit Violeta und Harald und beobachte zwei Mädchen, die auf der Mauer balancieren. Der Umzug zieht munter weiter hoch ins Örtchen, aber wir verpassen den Anschluss wie auch so manch andere, die ebenfalls auf den Bierbänken Platz nehmen. Normalerweise endet der Montagsumzug nach vier, fünf Stunden auf der Heimburg, wird mir erzählt. Aber da dort gerade gebaut wird, zieht es die anderen wohl zum Platz bei der Freiwilligen Feuerwehr. 

Theresa, Monique, Violetta, Barbara, Aline und Violeta

Ich verabschiede mich von den bekannten Gesichtern und mache mich beschwingt von dieser einmaligen Erfahrung zurück auf die Burg. An meiner Trinkfestigkeit muss ich noch arbeiten, denn die Kopfschmerzen lassen nicht lange auf sich warten. Aber die Erinnerung an meinen ersten Niederheimbacher Kerbumzug wird bleiben, gerade auch, weil ich so herzlich aufgenommen wurde. Es tut gut, solche Menschen als Nachbar*innen zu wissen. 

11 Kommentare

  1. Vielen Dank liebe Frau Marie-Luise Eberhardt,
    es hat mich besonders gefreut, dass die Burgenbloggerin sich unsere Kerb in Niederheimbach herausgesucht hat und darüber berichtet. Ist diese Kerb doch die schönste und interessanteste Kerb am ganzen Mittelrhein. Selbst im Radio bei RheinFM wurde darüber begeisternd berichtet.
    Welche Kerb hat den die Möglichkeit mit der Fähre Walzer auf dem Rhein zu tanzen und hat an einem Montag so viel begeisterte Kerbegänger, wo doch andere arbeiten müssen und die Niederheimbach sich aber extra dafür frei machen….!
    Dieses Brauchtumsfest ist etwas ganz besonderes und Sie haben einen sehr schönen Bericht daraus gemacht.
    Vielen Dank und weiter so.
    Der Ortsbürgermeister
    Richard Paul Mézes

    1. Ja, der Walzer auf dem Rhein war herrlich. Freut mich sehr, dass der Bericht ihnen gefällt! Und ja Hut ab: die Kerb hat mich wirklich beeindruckt und überrascht! Viele Grüße von der Burg!

  2. Ein wunderschöner Bericht, vielen Dank. Es gibt so viel Schönes in unserer Heimat, und durch solche Berichte werde ich wieder daran erinnert.

  3. Auch aus der Eifel einen großen Dank für die wunderbare Kerb.
    Ich war bei einem Freund zu Besuch.
    Ich kam in Niederheimbach als Fremder und ging als Freund der Bevölkerung. Nächstes Jahr ist Wiederholung geplant.
    Et war nur super. Danke

  4. Als Kind war ich oft auf der Kerb in Haambach, denn hier leben meine liebsten Verwandten. Dieses Jahr habe ich endlich ihre Einladung angenommen und vier Tage live miterlebt, wie Vereine, Freunde und Nachbarn gemeinsam das Fest organisieren, dafür hart arbeiten, miteinander feiern und auch ein bönnsches Mädchen in ihrer Gemeinschaft herzlich aufnehmen.
    Nächstes Jahr bin ich wieder dabei!
    Danke für die eindrucksvolle Berichterstattung, die all die schönen Erinnerungen wieder aufleben lässt .
    Aber erst mal auf ein Wiedersehen auf dem Haambacher Weihnachtsmarkt!
    Luebe Grüße aus Bonn von Angelika

    1. Wie schön. Ich finde es immer aufs Neue bemerkenswert, wie solch ein Fest verbindet und Menschen zusammen bringt. Herzlichen Dank, dass Sie uns an ihrer Erinnerung und ihrem Eindruck teilhaben lassen. Liebe Grüße nach Bonn

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