Von Eseln, Wildkräutern und dem besten Wein 

Bei meinem Ausflug nach Bacharach am ersten Tag als Buga-Bloggerin habe ich den Aushang vom Programm des Weinblütenfests in Bacharach-Steeg gesehen. Sofort fiel mir die Wildkräuter-Wein-Wanderung mit Eseln ins Auge und so machte ich mich am Samstag, 17. Juni, auf nach Steeg – mein erster „Einsatz“ als Buga-Bloggerin.

Ohne genau zu wissen, wo sich der Festplatz befindet, parke ich in der Mitte des Ortes und laufe los. Eine ältere Dame, die gerade aus ihrer Tür heraus tritt, frage ich nach dem Weg. „Das ist noch ein Stück weiter oben, da hinter der Biegung.“ „Ach, da hätte ich weiter oben parken sollen.“ „Na, laufen schadet ja nicht.“, erwidert sie verschmitzt. Ich gebe ihr Recht, das Laufen stört mich auch nicht, nur die Sorge, den Start der Wanderung zu verpassen. Wie das so ist mit einem neuen Job und der anfänglichen Aufregung. 

Aber wenige Minuten später sehe ich eine Gruppe von gut 40 Menschen auf einem mit Girlanden geschmückten Platz stehen und die Esel sind auch noch unter ihnen. Als ich meinen Beitrag zahle und mich kurz vorstelle und meine Sorge erwähne, wird mir Gemütlichkeit versichert: „Immer mit der Ruhe“. Sofort legt sich meine Aufregung und ich stehe erstmal da mit meinem eselgeschmückten Weinglas in der Hand und begutachte die Umgebung. 

Wenig später bekomme ich auch schon Wein eingeschenkt und betrachte die Eseldamen Lilly und Lotte aus der Ferne. Nach einem herzlichen Hallo von Dietmar Zahn, bei dem er die Kräuterpädagogin Violeta Snyders, Eselpapa Frank Mörsch und den Weinprinzen des Mittelrheins Gero Schüler vorstellt, wird losgewandert – in Eselgeschwindigkeit versteht sich. Denn wir müssen uns nach Lilly und Lotte richten, erklärt Dietmar. Diese Weinwanderung feiert heute übrigens Premiere. Weinwanderungen gibt es Einige in Bacharach-Steeg, aber zum ersten Mal sind Violeta und Franks Eseldamen dabei.

Später erzählt mir Frank, dass er und die anderen aus der Steeger-Orgagruppe aber schon zig Weinwanderungen sonntags mit den Eseln zum Üben hinter sich haben. Denn anfangs wollten Lilly und Lotte lieber querfeldein laufen, stehen bleiben oder Gras mampfen und verstanden so gar nicht, warum sie mit den anderen mitwandern sollten. Ein Problem sei wohl gewesen, dass Frank zuerst versuchte, nur eine Eselin mitzunehmen. Von all diesen Hürden ist bei unserer Wanderung gar nichts mehr zu merken: Lilly und Lotte haben einen ähnlichen Laufrhythmus wie alle anderen: bleiben mal stehen und snacken, legen einen Zahn zu oder laufen gemütlich den Waldweg entlang. Auf jeden Fall genießen sie die Aufmerksamkeit von Alt und Jung und allen dazwischen. Besonders toll ist auch, dass wir sie alle führen dürfen oder sagen wir den Führstrick halten, denn manchmal bin ich mir nicht so sicher, wer wen führt. Ich freunde mich ein wenig mit Lilly an. Sie ist die dunkle Eseldame und bei ihr ist der Fellwechsel besonders gut zu erkennen. Lilly und Lotte sind übrigens fünf Jahre alt und kamen mit einem Jahr zu Frank, der sich mit dem Zuwachs einen großen Wunsch erfüllte – und der Steeger Gemeinschaft gleich mit.

Frank mit Lilly und Lotte

Aber erstmal zurück zur Wanderung. Die muntere Gruppe aus Einheimischen, Stammgästen, alten Freund*innen, weggezogenen Kindern und neu dazu Gestoßenen wie mir, läuft nicht in einem Tempo, kommt aber immer wieder an bestimmten Plätzen zusammen. An diesen Rastplätzen wird jedes Mal ein neuer Wein oder auch Wasser ausgeschenkt und etwas über die Weinsorten und den Weinanbau von Dietmar oder auch Eckhard Zahn erzählt. Eckhard betreibt mit seiner Frau Sonja Theobald-Zahn das Weingut samt Weinhaus „Zur Fledermaus“. 1994 hatten sie dieses als „Feierabendwinzer“ von Heinz-Friedel Zahn übernommen. Mittlerweile wachsen auf gut 1,3 Hektar Steilhang vorwiegend Rieslingtrauben. Spätburgundertrauben gibt es aber auch und so erhalten wir eine Kostprobe vom 2021 Steeger St. Jost. Eine gekonnte Beschreibung des Weines werde ich wohl erst nach meiner Zeit hier im Oberen Mittelrheintal absolvieren können. Aber ich nehme auf jeden Fall zum ersten Mal bewusst wahr, wie unterschiedlich Wein schmecken kann und was es heißt einen edlen Tropfen im Glas zu haben. Übrigens haben sich die professionellen Weinwandersleute mit einem Weinglashalter eingedeckt, der um den Hals getragen wird. So etwas habe ich auch noch nie gesehen. Schön finde ich auch, dass Weine von verschiedenen Weingütern eingeschenkt werden, die meisten kommen wie das Weingut Fledermaus aus Steeg selbst: wie das Weingut Schüler, das Weingut Bork, Brück und Nuding. Die Weinanbauweisheiten konnte ich mir längst nicht alle merken, aber, dass Rosensträucher quasi als Frühwarnsystem für Mehltau genutzt werden, fand ich besonders interessant. Rosen sind für Mehltau noch anfälliger als der Wein selbst und so kann schnell auf die Krankheit reagiert werden. 

Eckhard beim Zuprosten

Die Natur bringt mich an diesem Tag einmal mehr zum Staunen. Damit meine ich nicht nur die herrliche Umgebung von Bacharach-Steeg. Violeta, die Kräuterpädagogin, bleibt oft stehen, kann zu jeder Pflanze etwas erzählen. Da ist zum Beispiel der Nelkenwurz, dessen Wurzel von September bis Februar geerntet werden kann und als Gewürz dem der Nelke ähnelt. Das Kauen auf der Wurzel soll aber auch Zahnschmerzen lindern und bei Darmerkrankungen helfen. Die Blätter können hingegen in den Salat gemischt werden und auch die Blüten sind essbar und können als Salatdeko dienen. Auch im Gedächtnis geblieben ist mir die Wilde Möhre. Die große weiße Blüte, die gern mit anderen verwechselt wird, ist gut an dem schwarzen Punkt in der Mitte zu erkennen. Bei Schmetterlingen und Bienen ist sie sehr beliebt und wusstet ihr, dass die Wilde Möhre als Urform unserer Möhre gilt? Auch ihre weißen Wurzeln können gegessen werden, werden aber mit zunehmenden Alter immer schärfer. Auch die Samen des wilden Schnittlauchs können super gut als Pfefferersatz benutzt werden. Violeta erzählt begeistert, bringt bestimmte Wildkräuter mit in die Runde und lässt alle an ihrem Wissen teilhaben. Für die Wanderung hat sie auch herrliche Snacks vorbereitet: Kräuterblütenbutter, selbstgebackenes Wildkräuter-Gebäck, Frischkäsekarottendip und sogar passend zum Fest ein Weinblütengelee. In den Genuss der leckeren Sachen kommen wir auf der Burg Stahlberg, das Ziel unserer Wanderung. Dort führe ich nach unserer Stärkung auch noch ein kleines Interview mit Violeta über ihre Lieblingswildkräuter und wie sie zu dieser Leidenschaft gekommen ist. 

Violeta zeigt uns den Wilden Schnittlauch.

Wir sind schon ein Weilchen unterwegs, vier oder fünf Stunden? Es ist schön das Zeitgefühl zu verlieren und einfach den Tag zu genießen. Nach meinem anfänglichen Beobachtungsmodus komme ich durch die Wildkräuter schnell ins Gespräch mit anderen. Ich lerne beispielsweise eine Frau aus Wiesbaden kennen, die mit Sonja und Eckhard schon viele Jahre befreundet ist und immer zum Weinblütenfest nach Steeg kommt. Ihr kleiner Sohn, der beim ersten Berg noch „ich kann nicht mehr“ ruft, hält die Wanderung mit Laufrad super durch und ist sichtlich entspannt. Wir haben die sonnigen Weinberge auch schnell hinter uns gelassen und sind im kühleren Wald umhergelaufen. Auch mit Volker, ebenfalls einem alten Freund von Eckhard, komme ich ins Gespräch. Sie haben sich 1998 auf dem Weinblütenfest in Bacharach-Steeg kennengelernt. Er reist seitdem mehrmals jährlich aus Hamburg nach Steeg und hilft auch bei der Weinlese aus. Ich überlege laut, ob ich in diesem Jahr nicht auch mitmachen könnte und werde von Eckhard glatt zur Weinlese eingeladen. Auch mit anderen wie Zazie, einer jungen Frau aus Freiburg, unterhalte ich mich lang, tausche sogar Nummern aus und freue mich auf den Burgbesuch. 

An einer der alten begehbaren Schiefergruben komme ich auch mit Denise Zahn ins Gespräch. Sie ist eine der ehrenamtlichen Organisatorinnen mit schwarzem Esel-T-Shirt und fährt das Getränketransportauto. Denise erzählt mir, dass die Gruppe mit dem Weinblütenfest und frischen Angeboten wie diesen, den Ort ein wenig am Leben erhalten will. Denn auch Steeg bleibt nicht vor Wegzug, demografischen Wandel und mancher Engstirnigkeit verschont. Sie wollen erreichen, dass die Angebote im Gedächtnis bleiben und auch eine Woche später noch von Bacharach-Steeg gesprochen wird. Ja, was soll ich sagen: Bei mir hat es funktioniert. Ich laufe mit den anderen Teilnehmenden beseelt von der Burg zurück nach Steeg, wo ich mir auf dem Weinblüten-Festgelände noch zwei Stück Kuchen schmecken lasse. 

Das Orga-Team vom Weinblütenfest in Bacharach-Steeg (Foto: privat)

Was für ein Einstand im Oberen Mittelrheintal. Danke an Dietmar und Denise, Sonja und Eckhard, Frank, Yvonne, Gerd und Nicole, Petra, Maria, Niklas, Nina, Lilly, Lotte und Violeta. Danke Bacharach-Steeg. Ich komme gern wieder.

12 Kommentare

  1. Wieder wunderschön geschrieben Marie-Luise, und Violetta würde ich auch gerne mal kennen lernen.
    Freu mich schon auf den nächsten Blog.
    Liebe Grüße Monika

    1. Danke 🙂 und vielleicht besuchst du ja auch mal eine Wildkräuterwanderung? Es ist wirklich spannend und ich habe auch Lust auf mehr!

  2. Von der rechten Rheinseite nach Steeg zu kommen ist noch ohne lange
    Umwege möglich.Von kann man die Fähre in Kaub nutzen und ist schnell
    in Bacharach-Steeg.Wenn aber mal die geplante Mittelrheinbrücke
    gebaut ist(dessen Raumordungsverfahren eröffnet ist) stellen die Fähren von Kaub bis Boppard aus wirtschaftlichen Gründen ihren Verkehr ein, so dass lange immissionsbehaftete Umwege erforderlich sind um die andere Rheinseite zu erreichen.
    https://www.merkur.de/deutschland/rheinland-pfalz/noch-nie-so-weit-planung-von-mittelrheinbruecke-zr-92369654.html

    1. Danke für Ihre Perspektive und den Link, die Diskussion um die Brücke habe ich schon ein wenig mitbekommen! Damit möchte ich mich auf jeden Fall auch befassen. Für Sie würde eine Brücke demnach vorwiegend Nachteile mit sich bringen?

      1. Ob die Brücke für mich(im 82. Lebensjahr) von Vor- oder Nachteil ist ist für mich unbedeutend.
        Wir sollten an die nachfolgende Generation denken die die Folgen des Klimawandels und Steuerbelastungen
        zu Tragen haben.
        Die Baukosten der Brücke-ohne Zufahrten- werden derzeit auf mehr als 70 Millionen € geschätzt.Mit diesem Betrag
        könnte das Land die 3 Fähren in Kaub, St.Goarshausen und
        Boppard so subventionieren,dass Autofahrer mit örtlichem
        Kennzeichen die Fähren kostenlos benutzen könnten.
        Der Erhalt der Fähren ermöglicht auch dem Fahrrad-Tourist
        einen schnellen Wechsel der Rheinseite und den Erhalt der
        Arbeitsplätze der Fährbetreiber.

  3. Stimmt, denn die Fährbetreiber haben schon vor langer Zeit festgestellt, dass sie ihren Betrieb nach dem Bau der Brücke aus wirtschaftlichen Gründen voraussichtlich einstellen werden müssen. Aber man könnte die Fährbetreiber ja mal fragen, ob sie ihre Meinung geändert haben. Wenn es denn so kommt, dann wird es viel Verkehr hin zur Brücke und auch wieder zurück geben und die Kosten für den Sprit werden vermutlich gleich oder höher sein wie der Fährpreis bei einer 10er Karte resp. einer Monatskarte.

    1. Auf jeden Fall ein sehr wichtiges Thema fürs Tal und ich habs auf dem Schirm, finde es auch wichtig z.B. die Fährbetreibenden da mit einzubinden!

    2. Lieber Jochen,
      Du kennst die Probleme der Mobilität am Mittelrhein schon lang.
      file:///C:/Users/ottos/Downloads/Stellungnahme%20BI%20Rheinpassagen%20zu%20%C3%96PNV%20Themen,%20Radtourismus%20und%20F%C3%A4hrbetrieb.pdf

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