Die Fährfrau vom Mittelrhein

Wie oft bin ich mit dem Buga-Mobil von der Burg Sooneck hinunter gebraust, um die Fähre von Niederheimbach nach Lorch zu nehmen. Meine Lieblingsfähre, denn durch den längeren Weg und die Toteninsel fühle ich mich kurz wie auf einem Kreuzfahrtschiff und der Blick auf Niederheimbach, Burg Sooneck, nach Bacharach und Lorch ist einfach so herrlich. Im September fällt mir ein neues Gesicht auf der Fähre auf. Eine junge Frau, die fast so heißt wie ich: Maria. Anfang Dezember darf ich sie bei ihrer Arbeit als Kassiererin begleiten. 

Sie nimmt mich mit in die kleine Kabine, wo sie bei diesen Temperaturen gerne mal sitzt, wenn sie fertig abkassiert hat. Ich finde es gleich urgemütlich und ein Guckloch gibt es auch. Maria Schnaas wohnt in Weiler bei Bingen. Schon mit 16 hat sie hier beim Fährbetrieb ihres Onkels dritten Grades Michael Schnaas gejobbt. „Nach der Schule habe ich eine Ausbildung angefangen, aber schnell entschieden, dass es das nicht ist. Dann habe ich überlegt, was mir Spaß macht und wo ich mich in Zukunft sehen kann. Dann habe ich den Micha angefragt und schon war ich wieder hier“, erzählt sie mir. Marias Begeisterung für die Arbeit auf der Fähre Niederheimbach-Lorch kaufe ich ihr sofort ab. Ihre Augen leuchten als sie mir berichtet, was sie besonders an diesem Job mag. „Natürlich die Natur, die ist hier ja auch besonders schön und ich liebe den Kontakt mit Menschen. Hier triffst du wirklich so verschiedene Menschen, mit denen man sich unterhält und die so herzlich sind. Die vielen Touristen geben einen nochmal mit, wie man diese Landschaft hier schätzen sollte. Das vergisst man glaube ich schnell, wenn man hier wohnt.“ Sie betont auch mehrmals, wie sehr sie den kleinen Familienbetrieb, die Herzlichkeit und das nette Miteinander schätzt. 

Schmunzelnd verrät mir Maria auch wie am Anfang jede zweite Person Loreley zu ihr gesagt hat. „Sind Sie die Loreley vom Rhein?“ Da sie die erste weibliche Person ist, die ich auf den Fähren des Oberen Mittelrheintals kennen lerne, spreche ich sie auf ihre Erfahrung als „Fährfrau“ an. „Ich finde das grad sehr schön, zu zeigen, dass man diesen Beruf als Frau machen kann und dass das gerade in der jetzigen Zeit gut angenommen wird – von jedem. Ich habe bisher nichts Schlechtes gehört. Nur Positives z.B. wie schön das ist, dass jetzt auch mal eine Frau auf der Fähre ist. Grad auch von Frauen. Die Resonanz ist wirklich gut!“

Maria erzählt mir auch von einer jungen Kollegin in Bingen, die sie beim Funkkurs kennen gelernt hat und die eine Ausbildung als Binnenschifffahrtskapitänin macht. Auch Maria möchte in Zukunft eine Etage weiter oben sitzen und ihren Fährführerschein machen. Dafür muss sie nicht nur Fährfahrstunden nehmen, sondern auch Einiges lernen, um die Prüfung zu bestehen. Beim Funkkurs hat sie beispielsweise das Nato Alphabet gelernt. Außerdem haben sie verschiedene Situationen durchgesprochen, um zu lernen, diese richtig einzuschätzen. Wen hole ich z.B. zur Hilfe, wenn ein großer Baum auf dem Rhein schwimmt? Als Beispiel diente auch die Situation Ende November, wo bei Bacharach ein Güterschiff in ein anderen Frachter rein gefahren war. Die Frachter haben generell zu den Fähren Vorfahrt, auch das wird über Funk kommuniziert, erzählt mir Maria. 

Apropos Fähre: Während unseres Gesprächs muss Maria natürlich weiter arbeiten, so geht sie alle zehn Minuten hinaus und ich warte auf sie. In ihrer kleinen Kajüte hängt übrigens auch ein Schild, dass die Fähre seit 1892 hier betrieben wird, damals noch ganz ohne Motor. Auf der Website sind alte Bilder von einem kleinen Fährboot mit Segel und Rudern zu sehen. Ab 1910 wird dann ein Boot mit Motor eingesetzt. Maria kommt zurück und ergänzt, dass sie hier in der fünften Generation arbeitet. “Sowohl mein Ururopa als auch mein Uropa waren schon Fährmänner.”

Sie erzählt mir auch mehr über das Fährschiff, was eine Niedrigwasserfähre von 1993 ist und unbeladen nur 40cm Tiefgang hat. Mit der älteren Ersatzfähre mischt ihr Onkel z.B. auch bei Rhein in Flammen mit. Ich erzähle von meiner Walzerfahrt zur Niederheimbacher Kerb, von der Maria noch nichts mitbekommen hat. Aber diesen Sommer ist sie dann bestimmt dabei. Die warme Jahreszeit ist ihr sowieso am liebsten auf der Fähre. „Grad im Sommer wenn wir auch mal eine Leerfahrt hatten, habe ich draußen gehockt und gelesen. Es ist wie Urlaub. Das kriege ich auch ganz oft gesagt von Leuten, die nicht von hier kommen, dass das hier so eine kleine Auszeit ist auf der Fähre.“

Im Hinblick auf den Jahrzehnte lang diskutierten Brückenbau bei St.Goar und St.Goarshausen sieht Maria erstmal keine Gefahr für die Niederheimbach-Lorch Fähre. „Viele Menschen schätzen das und fahren gern mit der Fähre.“ Sie berichtet z.B. auch über die begeisterten Kinder, die sich das Fahrerhaus angucken können.

Im Winter ist natürlich Einiges weniger los und das bedeutet für Maria: verkürzte Fährzeiten. Die letzte Fahrt von Lorch nach Niederheimbach geht nun 19 und nicht 20 Uhr. Außer Sonntags gibt es sowieso Früh- und Spätschichten und die langen Sonntage machen Maria auch nichts aus. „Wenns Spaß macht, geht die Zeit schnell vorbei.“ 

Recht hat sie! Mein Besuch neigt sich auch dem Ende und ich kann gar nicht mehr sagen, wie oft ich mit auf die andere Seite gefahren bin. Es ist schon längst dunkel geworden. Ich verabschiede mich herzlich von Maria und bin gespannt, ob ich sie bald im Fahrerhaus wiedersehe. 

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