Die Wernerkapelle als Doku

Im Weingut Dr. Kauer in Bacharach sitzen über 60 Menschen bereits gespannt auf ihren Stühlen und warten auf die Dokumentation über die Wernerkapelle. Der Bauverein Wernerkapelle e.V. und die Filmproduzenten des neu gegründeten Studio 550 haben Ende Oktober zur Filmpremiere eingeladen. Der Bauverein kümmert sich seit über 30 Jahren um den Erhalt und die Geschichtsaufarbeitung der Wernerkapelle, die zum Symbol für Toleranz und interreligiösen Austausch -insbesondere der Verständigung zwischen jüdisch und christlich Gläubigen- geworden ist.

Zum Einstieg zeigen Franziskus Weinert und Dennis Meurer vom Studio 550 ein 13-minütiges Special, in welchem Peter Keber, der ehemalige Vorsitzende des Bauvereins, und Dr. Randolf Kauer, der 2. Vorsitzende des Vereins, durch die Geschichte, Herausforderungen und Aktionen des Bauvereins Wernerkapelle e.V. führen.

B-Roll-Film „Die Wernerkapelle in Bacharach“

Mein Sitznachbar hatte mir bereits erzählt, wie er als Kind mit vielen anderen Menschen aus Bacharach Gerüstteile die 100 Stufen bis zur Wernerkapelle hinauf transportierte. Die Renovierung der Ruine war nur durch die Bemühungen vom Bauverein allen voran Peter Keber zu Stande gekommen. Dieses Engagement und der Zusammenhalt der Bacharacher Bevölkerung zeigt einmal mehr, welche Bedeutung die Wernerkapelle bis heute hat und weshalb die Nachfrage, sich gemeinsam die Doku anzuschauen, so groß ist.

Kurz umrissen verweist die Entstehungsgeschichte dieses Ortes auf den seit hunderten von Jahren tief verwurzelten Antisemitismus. 1287 wurde am Rheinufer zu Bacharach eine Knabenleiche gefunden, die in der Kuniberts-Kapelle nahe der heutigen Wernerkapelle aufbewahrt und begraben wurde. Der katholische Priester erfand die Legende, dass der Junge von Juden umgebracht worden sei. Zu dieser Zeit gab es keine jüdischen Menschen mehr in Bacharach und so beschuldigte er die Oberweseler Juden, die Leiche des 14-jährigen Jungens ins Wasser geschmissen zu haben. Dass dieser dann acht Kilometer rheinaufwärts gefunden wurde, also seine Leiche entgegen der Strömung geschwommen war, kam seiner Heiligsprechung gleich. Diese Geschichte war Ausgangspunkt einer großen Pilgerbewegung zur damaligen Kuniberts-Kapelle, die schnell für die Masse der Menschen zu klein wurde. 1289 begann bereits der Bau der Wernerkapelle.

In der 65-minütigen Dokumentation „Ein Denkmal bewegt zu Toleranz“ erzählt Peter Keber aber nicht nur von der Entstehungsgeschichte der Wernerkapelle, sondern auch von ihrer Architektur, Geschichtsaufarbeitung, jüdisch-christlichen Gottesdiensten und interreligiöser Verständigung. Bewusst gleicht die Dokumentation in großen Teilen einer Führung Kebers, wie er sie beispielsweise am Tag des Offenen Denkmals hält. Aber er erzählt auch von persönlichen Begegnungen und der Vortragsreihe über Toleranz. Peter Keber zeigt sich nach der Filmvorführung jedenfalls erfreut über das Ergebnis des Films, wobei er noch viel mehr hätte erzählen und beitragen können, sagt er mir. Für Außenstehende ist diese Zusammenfassung aber in meinen Augen wichtig, um nicht von der Masse an Informationen überrollt zu werden. Über die Entstehung der Doku habe ich an diesem Abend auch mit Franziskus und Dennis vom Studio 550 gesprochen.

Franziskus Weinert und Dennis Meurer

Für die beiden Oberweseler war die Produktion der Dokumentation quasi der Anlass für ihre gemeinsame Arbeit als Videocontent und Social Media Creators. Sie haben mir zudem von ihrem Kennenlernen berichtet, warum der Mittelrhein mehr starke Bewegtbilder braucht und welche Projekte gerade noch so anstehen. Für Weihnachten haben sie sich übrigens ein besonders schönes Geschenk an ehrenamtliche Vereine überlegt.

Die Filmpremiere war nicht nur für die Arbeit vom Studio 550 ein wichtiger Ausgangspunkt. Auch der Bauverein Wernerkapelle hat mit der Dokumentation ein Zeichen gesetzt, dass die Wernerkapelle als Symbol für Toleranz gerade heute in konfliktreichen Zeiten, wo jüdische und muslimische Mitmenschen wieder vermehrt diskriminiert und angegriffen werden, wichtiges Beispiel für einen menschlichen, interreligiösen Dialog bleibt. Dafür braucht es aber nicht zuletzt wieder mehr aktive Vereinsmitglieder, Spenden und die Organisation von Formaten zur Verständigungsarbeit.

6 Kommentare

  1. Geschichtsträchtiges Thema mit ganz aktuellen Bezügen super medial aufgearbeitet. 👍👏🙏 Liebe BugaBloggerin, Du entdeckst so vielfältige Facetten des Mittelrheintals, die uns Landschaft und Leute faszinierend nahe bringen. Glückwunsch und danke!£

  2. Liebe Marie- Luise Eberhard,
    Ganz herzlichen Dank für Ihren Beitrag.
    Ganz wunderbar. Bitte schicken Sie diesen Beitrag auch an Ihre Eltern, die ich seit dem Tag des offenen Denkmals
    In guter Erinnerung habe.
    Ganz LG Ihr : Peter Keber

    1. Herzlichen Dank Herr Keber, das freut mich besonders von Ihnen zu hören! Meine Eltern haben ihn gleich gestern gelesen und erinnern sich auch zu gern an Ihre fundierte und spannende Lesung zurück!

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