In diesem Beitrag geht es um Keltereierzeugnisse aus Gebroth im Landkreis Bad Kreuznach. Doch er beginnt in Bacharach und endet in gewisser Weise auch dort. Verbindendes Element ist Fruchtkelter Rolf Merg.
Die Bacharacher Stadtmauer ist schon für sich einen Besuch wert, mit ihren darin verbauten historischen Wohnhäusern und dem Ausblick über die Bahngleise aufs Rheinufer. Doch Rolf Merg hat sie um einen besonderen Hingucker reicher gemacht, der alle Passant*innen neugierig innehalten lässt:
Vor seinem Wohnhaus kann man nicht nur eine Modelleisenbahn bestaunen, die in regelmäßigen Abständen ihre Kreise zieht, es begegnen einem auch eine selbstgebaute Loreley und Vater Rhein, die man per Handkurbel abwechselnd aus dem Fluss aufsteigen lässt, sowie diverse kleine Spieluhren, Gedichte und Informationstexte. Zwischen all diesen Kuriositäten: eine Auslage mit köstlich aussehenden Gläsern und Flaschen fruchtigen Inhalts. Rosé-Chili-Gelee, Weinbergpfirsichkonfitüre, Apfelsaft, Traubensaft und weitere vielversprechende Sorten.
Das Obstparadies im Naturpark Soonwald-Nahe
Ein Kuriositätentüftler, der Obstsäfte macht? Ich will mehr über diese Produkte wissen und besuche Merg, der sein Unternehmen vor wenigen Jahren an seine Töchter Marie und Sofie abgegeben hat, im Hofladen der Familie in Gebroth.
Vor der Tür wohnt das „medienerprobte“ Storch-Paar Conrad II. und Gattin Emma-Mira, das in den vergangenen Jahren mehrfach von Rheinzeitungsreporter*innen heimgesucht wurde, in einem großen Nest auf einem langen Holzpfosten.
Das Nest ist im Ladeninneren auf einem Flachbildschirm zu sehen, ein bisschen muss man an Big Brother denken. Aber es muss toll sein, der Brut, die zu dieser Jahreszeit schon flügge geworden ist, beim Aufwachsen zusehen zu können.
Auch hier im Laden fährt, über den Dutzenden dunkelgrünen Getränkekästen, eine Modelleisenbahn. Eine kleine Seilbahn gibt es auch.
Rolf Merg, der mich fröhlich lächelnd willkommen heißt, begegnet mir nicht nur als überaus sympathischer und authentischer Botschafter der eigenen Produkte, sondern auch als historisch informierter Heimatverbundener, als glühender Bacharach-Fan, Hobbypoet und kollegialer Unternehmer mit wohlwollendem Blick auf andere Schaffende der Wein- und Genussregion.
Die kleine Zunft der Fruchtkelter
„Früher haben wir schon Appelwein gemacht, mehrere Generationen lang. Den Fruchtsaft, da simmer eingestiegen vor 40 Jahren“, beginnt er zu erzählen. Fruchtsaft sei durchaus eine Marktlücke. „Es gibt nur noch ganz wenige Fruchtsaftbetriebe in ganz Deutschland. Nur noch 500 Keltereien. Die fünf größten machen 90 Prozent des Marktes aus. Und die anderen sind kleine Familienbetriebe wie wir. Wir verkaufen nur um die Schornsteine rum. Und ein bisschen Internetversand.“
Hinzu kommt die Obstverarbeitung für Biobetriebe und das Hauptgeschäft der Mergs, der sogenannte „Lohnmost“. Tausend bis zweitausend Kunden aus der Region bringen jährlich ihre Herbsternte in Gebroth vorbei, die die Familie dann zu Säften verarbeitet. In guten Jahren haben Mergs es schon erlebt, dass Autokaravanen mit Äpfeln die ganze Straße blockierten.
„Die Kunden müssen für den daraus erzeugten Saft nur den Arbeitslohn zahlen“, erklärt Rolf Merg. Auch die Familie selbst besitzt Streuobstwiesen. „Was der Herrgott bringt, das nehmen wir. Wir behandeln überhaupt nix. Auch nicht mit Biomitteln. So haben wir ab und zu auch mal eine Nullernte. Wir hängen mit drei Familien dran, da darf man sich in ‘nem guten Jahr keinen Mercedes kaufen“, sagt Merg und füllt lachend ein Probierglas.
Während der Firmengründer selbst ein Quereinsteiger ist, haben seine beiden Töchter sich gezielt auf die Firmenübernahme vorbereitet: In Geisenheim und verschiedenen obstverarbeitenden Betrieben haben sie sich ausbilden lassen und bringen bereits erfolgreich neue Impulse in den Betrieb ein. Neben den äußerst geschmackvollen neuen Etiketten ist das auch eine ganze Reihe neuer Produkte:
Fruchtige Vielfalt
Zum Beispiel Quitten-PetNat, kurz für „Pétillant Naturel“, eine Schaumweinform, deren Kohlensäurebildung durch Flaschengärung entsteht. Diese Herstellungsart wird auch „Méthode Rurale“ genannt. „Das ist Ur-Natur, ein ganz trockener Sekt aus Quitte“, erklärt Rolf Merg. „Die Früchte werden vergoren, bis sie noch zehn Gramm Restsüße haben, dann werden sie abgefüllt, die Hefe bleibt drin.“
Auch Frucht-Seccos und -Weine – zum Beispiel Grauburgunder-Erdbeer oder Riesling-Himbeer – gehören zu den Kreationen von Sofie und Marie Merg. Ebenso wie alkoholfreie Sektalternativen in drei Varianten: rot, rosé und weiß. Diese werden nicht wie herkömmliche alkoholfreie Weine durch die Extraktion von Alkohol aus einem „normalen“ Wein hergestellt. Stattdessen kombinieren Marie und Sofie Fruchtschorlen mit fein abgestimmten Kräuterextrakten, die dem Ganzen eine beachtliche Komplexität verleihen.
Rolf Mergs Steckenpferd wiederum sind die hochprozentigeren Gefilde: Er stellt in kleinen Mengen Gin und Sherry her. Ersteren hat er „Querung 171“ getauft, denn der Gin-Ansatz ist für die ideale Durchmischung in seinem Reifefass 171 mal mit der Kauber Fähre hin- und hergefahren. Ein herrlich feiner Brand, der auch Gin-Kundige mit einer likörigen Viskosität und einem mild-cremigen Geschmack überrascht. Die Botanicals kommen zu großen Teilen aus der Gegend, manche erntet Rolf Merg sogar selbst.
Seinen Sherrino wiederum kreiert Merg aus Äppelwoi und zollt so seiner Familiengeschichte Tribut. „Nach altspanischer Rezeptur“ wird der hauseigene Apfelwein durch zehnjährige Reifung im Eichenfass veredelt.
Grundsätzlich denkt sich Familie Merg durchaus unkonventionelle Produkte aus. 100-prozentigen Kirschsaft zum Beispiel, den man sonst kaum bekommt. Oder Geisenheimer Mehrfruchtsaft aus roten Früchten für die Extraportion Antioxidantien.
Die Früchte harter Arbeit
„Das, was wir hier machen, geht nur mit der Familie“, sagt Rolf Merg und schlägt den Weg in Richtung der Produktionshallen ein. „Zum Teil sind die Aufgaben sehr fachlich, das könnten Aushilfskräfte gar nicht leisten.“
Beim Blick auf die gigantischen bis zu 60.000 Liter fassenden Tanks (die übrigens fast alle Namen haben), die Pasteurisations- und Filteranlagen, unzähligen Schläuche und Ventile und die Produktionsstraße mit Stationen unter anderem zum Abfüllen, Verschließen Etikettieren und Bedrucken verwundert das nicht.
Ein weiterer Grund für das Schrumpfen der Kelterzunft: Es braucht neben dem nötigen Know-how auch viel Fleiß, Geduld und Hingabe, damit ein Unternehmen wie das der Mergs wirtschaftlich bleibt.
„In unserem Beruf muss man ein bisschen ein Überlebenskünstler sein. Jetzt kommt’s auf die nächsten Generationen an“, sagt der Familienvater, wieder im Ladenlokal angekommen. „Bei uns Fruchtkeltern, aber bei den Winzern auch. Unsere Mädchen haben sich für unseren Betrieb entschieden, aber wenn die Wege im Leben woanders hinführen, kann sich auch das noch ändern… Ich versuche jedenfalls, meinen Kindern noch so lange zu helfen, wie’s geht.“
Als plötzlich ein sintflutartiger Wolkenbruch über Gebroth hereinbricht, nutzt Rolf Merg den Moment, um eine weitere Leidenschaft anzusprechen: die Loreley. Unser Treffen neigt sich mit einer hingebungsvollen Rezitation der Ballade von Brentano, korrekt vom ersten bis zum 104. Vers, dem Ende zu. „Bacharach, das ist ein Kleinod, das hat Geschichte. Da ist die Loreley entstanden, da wurde der erste Goldgulden geprägt! Bacharach – das hat’s. Da ist wirklich die Rheinromantik zuhause!“, sagt Merg begeistert und seine Augen blitzen. Manchmal gebe er auch für die Touristen auf der Bacharacher Stadtmauer einen zum Besten, verrät er, meist samstags zwischen 11 und 13 Uhr.
Eine Begegnung mit dem fröhlichen Kelter loht sich. Nicht nur aus kulinarischen Gründen, sondern auch, weil Rolf Merg eine ganze Menge Interessantes zu erzählen hat über diese Region und die Poetenstadt, für die merklich sein Herz schlägt.