5 Monate am Mittelrhein – Was ich gelernt habe

5 Monate am Mittelrhein

Es brechen meine letzten Wochen am Mittelrhein an. Wie jeden Monat habe ich auch im vergangenen Erkenntnisse gesammelt, die nicht in einem Beitrag ihre Bühne bekommen. Von UWE, der Smaragdeidechse, bis zu Clemens Brentanos Großmutter. 🙂

Der letzte Teil dieser Reihe – viel Spaß beim Lesen!

  1. Das Unesco Welterbe Oberes Mittelrheintal hat das süßeste Maskottchen
    UWE, die Smaragdeidechse. Nicht nur hat Michael Apitz dem kleinen Reptil ein unwiderstehlich sympathisches Gesicht verliehen, auch passt die Eidechse wie wohl kein anderes Tier zu dieser Region. Sie steht vor allem für die warmen Sommer hier, in denen man sich als Besucher*in fühlt wie im Paradies. Und der Name: So einfach – und so gut! Wer auch immer den entwickelt hat: Fühl Dir die Hand geschüttelt! 🙂
    Ich würde mir wünschen, dass UWE mehr in Erscheinung tritt – dieses Maskottchen ist viel zu schade, um es so zurückhaltend einzusetzen.
  2. Seit der Ernennung zum Welterbe ist hier in der Region schon verdammt viel passiert
    Dass gemeckert wird, ist normal. Das tun die Leute bei mir zu Hause auch, und oft stimmen die Kritikpunkte – oder sind mindestens nachvollziehbar. So habe ich das am Mittelrhein auch erlebt: Beinahe jede kleine Beschwerde konnte ich nachvollziehen. Ich habe ja selber so meine Kritikpunkte. Aber: Mich hat auch interessiert, was denn so passiert ist, seit das Mittelrheintal Welterbe ist. Und da gibt es einiges, was ich durchaus anerkennenswert finde. Hier eine kleine Sammlung von Projekten, deren Ergebnisse ich teilweise selbst in meiner Zeit hier bestaunen durfte:

    – Seit 2005 gibt es den Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal, der wichtige Projekte anstößt, Netzwerkpartner für Entwicklungsprojekte wie die BUGA29 ist und eine Informations- und Beraterfunktion für Bürger*innen einnimmt.
    – Im gleichen Jahr wird der Rheinsteig eröffnet und prompt zum schönsten deutschen Wanderweg gewählt. Der Rheinburgenweg folgt 2010.
    – Ebenfalls seit 2005 laufen wichtige Flurbereinigungsverfahren zur Pflege der Kulturlandschaft. In dem Zuge wird seit 2008 „die Mittelrheinkirsche“ als regionalspezifisches Produkt wieder gepflegt: alte Regionalsorten wurden gezielt ermittelt und in Filsen kultiviert.
    – 2009/10 erhält das Welterbe eine erste große Förderung des Bundes für Entwicklungsprojekte.
    – Es entstehen diverse beliebte Veranstaltungsformate wie das Rheinleuchten.
    – Im Rahmen von Workcamps werden seit 2014 wichtige Kleinprojekte zum Erhalt der Naturlandschaft durch junge Freiwillige durchgeführt.
    – Die William Turner Route ermöglicht seit 2017 aktiven und kunstinteressierten Menschen, auf den Spuren des berühmten Malers zu wandeln.
  3. Das mit der „schäl sick“ hört in Köln nicht auf – leider.
    Der Rhein hat eine gute und eine schlechte Seite – angeblich. Ich finde das absolut bescheuert und dachte immer, das wäre vor allem so eine Kölner Nummer. Aber nein, auch hier wird insbesondere die rechte Rheinseite von den Linksrheinler*innen voreingenommen beäugt. Vor ein paar Tagen kam ich in Koblenz mit jemandem ins Gespräch, der mich fragte, wo ich denn meinen Tag verbracht habe. „Ehrenbreitstein“, sagte ich – und erntete Stirnrunzeln. „Aaah, auf der anderen Seite!“ Da sei es aber öde.
    Ja, auf der anderen Seite. Es geht doch nur um einen Fluss.
  4. Es gibt einen Kultur-Aktionsplan fürs Mittelrheintal
    Das eher schmale kulturelle Angebot im Tal hat mich schon oft gewundert, seit ich hier bin. Einerseits, weil ich Kultur für ungemein wichtig halte, um relevante Themen zu verarbeiten, die lokale Identität zu stärken und Menschen zu verbinden. Zum anderen, weil die Region SO viel Material hätte, das man verarbeiten kann.

    Der Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal hat zur Aktivierung der regionalen Kulturszene den Entwicklungsplan „Kultur im Fluss“ für einen Zeitraum von zehn Jahren verfasst.
    Dieser Plan baut auf einer Studie von Kulturwissenschaftler Davide Brocchi aus dem Jahr 2019 auf, der sich mit dem Status Quo der Region befasst und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet hat. Darin wurden u. a. die Einrichtung eines Kulturrates und eines Kulturmanagements enthalten. Beides gibt es inzwischen.

    Um den Bedürfnissen der (durch Corona zusätzlich angeschlagenen) Kulturszene gerecht zu werden, gab es in den vergangenen Jahren Beteiligungsformate, aus denen schließlich der regionale Entwicklungsplan „Kultur im Fluss“ abgeleitet wurde.
    Dieser sieht u. a. vor, die Kulturszene allgemein sichtbarer zu machen, ein Support-Netzwerk für Kulturarbeit aufzubauen, Kunst und Kultur als Teil der Regionalentwicklung zu verstehen und einzusetzen, kreative Bildungsangebote und Freiräume (insbesondere für junge Menschen) sowie Weiterbildungsmöglichkeiten für Kultur-Akteur*innen zu schaffen. Den gesamten Plan kann man online einsehen.

    Wenn alles gut geht, wird dieser Entwicklungsprozess vom Bundes-Förderprogramm „Aller-Land“ begleitet, das als fünfjährige Förderung à 250.000 € pro Jahr angelegt ist, um ländlichen Regionen zu einer lebendigen und zeitgemäßen Kulturszene zu verhelfen.

    Am 6.12.24 findet ein Netzwerktreffen in der Stadthalle Bacharach statt, der Kulturschaffende einlädt, ihre konkreten Ideen und Wünsche für die Entwicklung der Kulturlandschaft einzubringen. Ich drücke die Daumen!
  5. Es lohnt sich, mal einen Blick in die Historie weiblicher Schriftsteller hier zu werfen.
    Wer an deutsche Literatur und Dichtkunst denkt, denkt an Männer. Besonders in der Auseinandersetzung mit der Rheinromantik, sind da erst mal Heine und Brentano, Goethe, Eichendorff…
    Was ich daran besonders schade finde, ist, dass es da Frauen gibt, die teilweise sogar mit ihren männlichen Star-Kollegen verwandt oder bekannt waren und durchaus neben ihnen hätten glänzen können.
    Frauen wie Sophie von La Roche (Clemens Brentanos Großmutter), die für ihre empfindsamen Romane bekannt war, eines der ersten Bildungsmagazine für Frauen herausgab und als erste finanziell unabhängige Berufsschriftstellerin Deutschlands gilt.
    Adelheid von Stolterfoth, die in ihrer Dichtung den Rhein zum Leben erweckt.
    Oder Karoline von Günderrode, die wunderbare Liebesbriefe und -gedichte schrieb an einen Mann, mit dem sie in einer unglücklichen Menage à trois lebte. Ihnen sei hiermit eine kleine Bühne gegeben.

    „Wie stumm die Fluthen wieder fliehn, die rauschend unser Kahn durchflogen“ – „Spurlos auf diesen Wellen hin sind viele schon vorbeigezogen!“ | „Schon ist verweht im leichten Sand. Der Schritt, den wir gewandelt haben.“ – „Des Windes Flügel streift das Land und hat schon mehr als ihn begraben!“
    – Adelheid von Stolterfoth

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