Rheinromantik = Weinromantik?

Spätburgunder in Bacharach
Wein und Kreativität hängen in manchen Fällen zusammen.

Über den Zusammenhang von Wein und Kreativität.

Genussfreude und Kulturliebhaberei – diese zwei Komponenten treffen oft zusammen. Besonders diejenigen, die berufskreativ sind, greifen gern zur Flasche. Aber: Warum ist das so? Entkorken sie mit dem Wein auch den eigenen Kreativitätsfluss? Manche Studien legen das nahe.

„Wein ist Poesie in Flaschen.“

„Der Wein steigt in das Gehirn, macht es sinnig, schnell und erfinderisch, voll von feurigen und schönen Bildern.“


„Wer genießen kann, trinkt keinen Wein mehr, sondern kostet Geheimnisse.“

Diese hübschen Zitate, die Weinhandlungen gerne für die Selbstvermarktung „ausleihen“, stammen von großen Denkern: Robert Louis Stevenson, William Shakespeare, Salvador Dalí. Es scheint kaum einen bekannten Künstler zu geben, der sich nicht lyrisch zum „Rebensaft“ geäußert hat. Nicht selten wird der Wein als Türöffner zur Inspiration charakterisiert.

Inspiriert durch Alkohol?
Wie der Alkoholpegel die Kreativität beeinflusst

Wenig verwunderlich also, dass der Einfluss von Alkohol auf die Kreativität schon lange Gegenstand akademischer Forschung ist. Eine Studie der Universität Illinois in Chicago aus dem Jahr 2012 legt etwa nahe, dass eine kleine Menge Alkohol – genauer gesagt ein Alkoholpegel von 0,75 Promille – sich positiv auf die Lösung von Aufgaben auswirke, die „divergentes Denken“ erfordern. Also die Fähigkeit, sich unterschiedliche Lösungsansätze für dieselbe Aufgabe einfallen zu lassen. Die Studie schließt mit dem Ergebnis, dass mäßiger Alkoholkonsum die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und damit die Fokussierung verringert, was wiederum freier fließende, kreativere Gedanken ermöglicht.

Eine weitere Studie, die 2017 im Fachblatt „Consciousness and Cognition“ veröffentlicht wurde, kommt zu ähnlichen Schlüssen. Laut den Forschenden vom Institut für Psychologie der Universität Graz stimuliert mäßiger Alkoholkonsum den kreativen Prozess, indem er Selbstüberwachung und kognitive Starrheit verringert. So konnten die Proband*innen, die einen Promille-Wert von 0,3 Prozent im Blut hatten, besser aus gewohnten Denkmustern ausbrechen als solche, die „Placebo-Bier“ ohne Alkohol zu trinken bekommen hatten.

Übermäßiger Alkoholkonsum jedoch – das legen beide Studien nahe – wirkt sich gegenteilig auf die Hirnkapazität aus. Heißt also: Wer kreativ sein will, darf zwar genießerisch sein, muss sich jedoch zügeln können. Und das inmitten der Weinberge – als Gast, der kreative Zerstreuung sucht… Gar nicht so leicht, mag man sich vorstellen. Denn: Auch der Rheinwein wird von Dichtern und Denkern gepriesen. Unter anderem vom Urvater der Loreley, Clemens Brentano, und Heinrich Heine, dessen Version des Loreleystoffs bis heute die bekannteste ist.

Burgen bei Bacharach (Aquarell, 1817) ©The Trustees of the British Museum. Shared under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) licence

Ein Bacchusleben?
Weingenuss und Naturerlebnis

Und tatsächlich war der Wein ein nicht unbedeutender Faktor in der Epoche der Rheinromantik, die noch heute so wichtig für die Kultur des Mittelrheins ist – denn sie war einerseits der Startschuss der hiesigen Touristenbewegung und hat andererseits die Außenwahrnehmung und den Imageaufbau der Region geprägt.

Jedoch war es nicht nur der Weingenuss, sondern vielmehr die Weinlandschaft, die einen starken Eindruck auf die Romantiker machte. Dichter wie Heinrich Heine und Clemens Brentano waren zwar dafür bekannt, durchaus mal ein Gläschen zu genießen, und Treffen in Weinstuben waren unter romantischen Schriftstellern eine wichtige Gelegenheit zum Austausch. Dennoch diente der Wein vor allem als Metapher in der romantischen Poesie.

Er symbolisierte nicht nur den Rausch im wörtlichen Sinne, sondern auch die berauschende Schönheit der Natur, der Liebe und der künstlerischen Leidenschaft. Die Werke von Dichtern wie Ludwig Uhland und Joseph von Eichendorff enthielten häufig Weinbildlichkeiten, die die Schönheit des Rheins und die tiefen Emotionen, die er hervorrief, hinweisen sollten. In der Malerei fühlten sich neben dem weltberühmten William Turner auch Künstler wie Caspar Scheuren und Johann Wilhelm Schirmer von den Weinbergen und dramatischen Landschaften des Rheins angezogen.

Christian Eduard Boettcher, Sommernacht am Rhein (1862),
Öl auf Leinwand

Wie inspirationsstark Wein und Weinregion waren, lässt sich unschwer an den unzähligen Werken der Rheinromantik ablesen, von denen nicht wenige direkte Bezüge zur „Poesie in Flaschen“ und ihrer Anbaulandschaft erkennen lassen.

Wer da jedoch mit wie viel Wein beim Schaffensprozess nachgeholfen hat, das lässt sich nur spekulieren – und vielleicht ist es auch ganz gut so, wenn der Wein als Inspirationsquelle ein Stück weit mythisch bleibt…

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